Quöllfrisch unterwegs im Val Lumnezia
Wenn schon weder Tour de Suisse noch Tour de France coronabedingt mit einem 40er über Teer fliegen – Quölli und ich pedalen pickelhart einigen der höchstgelegenen Bio-Braugerstenfelder Europas in Graubünden nach. Der Prolog führt ins Val Lumnezia.

Wir schreiben den 20. Juli Zweitausendundzwanzig nach Christus. Sommerferien, wohl inzwischen in der ganzen Schweiz. Es ist ein Traumsommertag in einem durchzogenen Sommer. Der wiederum folgt auf einen steintrockenen April, der nicht nur im Tal des Lichts der Braugerste arg zusetzte. «Ich zeigs dir dann, wie schlimm es ausgesehen hat», lässt Flurin Zinsli schon am Telefon verlauten. Seine Mutter trägt dazu noch ein Sprichwort bei, das in etwa so lautet: «Der Acker muss im Frühling weinen, wenn er im Herbst eine schöne Ernte bringen soll.» Mit Weinen ist gemeint, der Acker müsse leiden, um am Ende ein starkes Korn zu tragen.
Auf dem Foto, das Flurin mir dann in Cumbel zeigt, siehts wirklich aus, wie wenn das Braugerstenjahr verloren wäre. Alles knochbeintrocken. Erstaunlich auch: Der Boden im Val Lumnezia ist auch jetzt noch alles andere als wassergesättigt. Obwohl wir im Mittelland eigentlich einen eher regnerischen Sommer erlebten, trügt also der Eindruck, dass das auch für das Tal des Lichts gilt.

Wo letztes Jahr noch je zur Hälfte Braugerste und Weizen wuchsen, hat Flurin Zinsli (s. unten Feld 2) dieses Jahr ausschliessliche Braugerste angebaut. Wir waren beim Blindstriegeln und bei der Braugerstenernte vor Ort. Aufgrund Quöllfrisch unterwegs-Erntebeitrags hätten viele geglaubt, er habe einen Preis bekommen. Hat er nicht. Aber verdient hätte er ihn durchaus für das Herzblut, mit dem er seine Arbeit ausführt. Das zeigt sich auch an den beiden sanftviolett leuchtenden Rechtecken im Acker drin, die die Biodiversität fördern. Und rund um das Feld verteilt wachsen Sonnenblumen zum Dank an die Corona-Helfer*innen. Während diese im Unterland schon blühen, brauchen sie hier in den Bergen noch etwas Zeit.

Kurz vor 19 Uhr komme ich in Cumbel an. Flurin Zinsli ist auch eben erst vom Heuen nach Hause gekommen und nimmt eine Dusche. Ich geniesse die Aussicht von seinem Balkon mit dem über allem thronenden Piz Terri. Weil er weiter hinten ist, sieht der markante Zinggen allerdings kleiner aus als er ist. Und schon sitzen wir in Flurings Pickup mit viel Warngepiepse wegen Parkabstand und Gurtenpflicht, um vor dem Eindunkeln noch einige Braugerstenfelder aufzusuchen. Und den leeren Harass Gran Alpin-Bier gegen beim Präsidenten der Getreidegenossenschaft Gran Alpin und Braugerstenanbauer Aldo Arpagaus (s. Feld 3 & 4) gegen einen vollen einzutauschen.

Bio-Bergbraugerste im Val Lumnezia
Feld 1: Ciril Arpagaus, Cumbel



Die Felder sind noch grün mit leichtem Gelbstich. Bis zur Ernte bleiben schätzungsweise vier bis acht Wochen.
Feld 2: Flurin Zinsli, Cumbel





Feld 3/4: Aldo Arpagaus, Cumbel
https://www.bio-hof-gudigliel.com/




Feld 4

Feld 5/6: Luregn Projer, Vella


Feld 6




Schon als wir bei Luregn Antoni Projer in Vella eintreffen, ist es eher zu dunkel zum Fotografieren. Danach zeigt mir Flurin noch einige Felder, die ich am nächsten Tag alleine aufsuchen kann. Wenn ich sie denn noch finde, gell. We will see. Also tauschen wir bei Aldo Arpagaus noch den Appenzeller Bier-Harass mit leeren Gran Alpin-Fläschchen gegen einen vollen. Danach gibts bei Flurin in der Küche noch eine Wurst vom Grill und gegen 1 Uhr gehts in die Heia. Am nächsten Morgen muss Flurin ein erstes Feld dreschen mit – was wars schon wieder? – Bio-Winterweizen, glaub ich.
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