Breaking News – Quöllfrisch unterwegs bei Gaby & Gian Denoth in Tschlin GR
«Bis vor 10 Jahren hätte niemand geglaubt, dass man das in der heutigen Zeit noch einmal zu sehen bekommt», sagt ein Einheimischer. Er meint damit das Pferdepflügen von Gian Denoth im malerischen Tschlin auf rund 1600 m.ü.M.

Dieses Jahr würden sie aber Speisegerste anbauen, nicht Braugerste, lässt mich Gaby Denoth per Mail wissen. Aber beim Pflügen macht das keinen Unterschied. Gran Alpin berechnet jedes Jahr die voraussichtlich benötigten Mengen und macht mit den Mitgliedern ab, wer was anbaut. Die Brauerei Locher wird also nicht zu kurz kommen. Das Mail erhielt ich zwei Wochen vor meinem Besuch, als noch viel Schnee lag. Der ist so schnell geschmolzen, dass ich sofort alles stehen und liegen lassen musste, um Gian Denoth beim Pflügen mit seinen Kaltblütern Uranie (französisch ausgesprochen: Üranie) und Maya fotografieren zu können.
Manche mögen ihn für einen Unzeitgemässen halten, der einfach Nostalgie betreibt. Ich dagegen halte ihn schon wieder für einen Pionier, einen Vorreiter (obwohl er ja seine Pferde nicht reitet). Er belebt, bewahrt und pflegt ein Wissen, das auch – oder erst recht – in unserer computerisierten Welt alles andere als überholt und nutzlos ist. Im Gegenteil. Es ist ein unbezahlbares Know-how, das ohne Strom funktioniert. Er zieht den Weg des grössern Widerstands demjenigen des geringsten vor. Und er lebt das so konsequent wie den Bio-Anbau in Knospenqualität.



Bei der Arbeit im Wald seien die Pferde unglaublich nützlich und gegenüber Maschinen mit ihrer Wendigkeit im Vorteil. Leider war dieses Jahr durch den vielen und lang liegen bleibenden Schnee nicht viel möglich. Nun sind Uranie und Maya etwas ausser Form. Denn Pflügen bringt auch die stärksten Gäule ins Schwitzen. Zudem hofft Gian Denoth, dass Uranie dieses Jahr wirklich trächtig sei. (Ich habe «schwanger» geschrieben und wurde darauf hingewiesen – danke, Gaby! –, dass Mensch bei Tieren «trächtig» verwende.) Denn 2017 musste er aufgrund einer Art «Scheinschwangerschaft» den Acker maschinell pflügen. Auch Tierarzt und Ultraschall tippten auf Uranies Trächtigkeit. War nichts. Im Moment stehen die Anzeichen auf gut, auch bei den Tests – aber sicher ist erst sicher, wenns sicher ist.



Das Pflügen mit Pferden wirke der Verdichtung des Bodens entgegen. Gerade im Berggebiet an den schrägen und unregelmässigen Hängen bewährten sich die Pferde. Und im Prinzip daure die Arbeit auch gar nicht länger. Aber klar: Der Aufwand ist grösser. Immerhin spult man bei 300 Metern Ackerlänge ganz schön Kilometer ab. Und wenn der Pflug einmal ausgerichtet ist, gehts tempomässig ganz schön voran. Ich immer nebenher wie der Fussballschiedsrichter in Ballnähe. Aber als Sportfotograf wäre ich bös überfordert. Nach einigen Stunden sind Pferde und Menschen müde. Nach jeder Länge lässt Gian die Pferde etwas atmen, diese ziehen sich sofort das erste zarte Grün vor der Schnauze als Powersnack rein.




Gian dreht die Pflugscharen, bringt die Pferde und Pflug in Gegenrichtung und weiter gehts. Die Schellen sind das einzige Geräusch, das die Bergesstille durchbricht. Sie sind bei der Arbeit im Wald von Bedeutung, um den andern Fuhrwerken zu signalisieren, dass man die Möglichkeit des Kreuzens nicht verpassen darf. Der Blick ins Tal gibt einem das Gefühl, in wenigen Minuten nach unten rollen zu können. Einmal klingelt Gians Telefon und ein Freund, der ebenfalls mit Pferden angefangen hat zu pflügen, fragt nach Rat. Es sei ein Murks bei ihm. Auch als Gian vor Jahren mit den Pferden begann, hatten weder er noch die Vierbeiner eine Ahnung, wie es geht. Die Lehrjahre waren für das gesamte Trio streng und steinig. Das Schöne ist, dass hier einer leibt und lebt und liebt, was er tut. Der Aufwand ist ihm egal, denn das ist der Preis dafür, dass er in seiner Sache aufmerksam, einfühlsam und präsent bleibt. Die härteren Bedingungen, die sorgfältige Produktion und die über Jahre gesammelten Erfahrungen verhelfen der Gerste zu sehr guter Qualität. Und ganz nebenbei bleibt Gian Denoth dank der gelaufenen Kilometer und dem Pflugkehren ganz ohne Freizeitsport fit. So auch die Pferde.






Zu guter Letzt:

