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En huerechoge steile, extrem schöne Sauchrache: Wer die 26 Whiskys samt Silbergürtelschnalle finisht, verdient Respekt, Hegozack!

Quöllfrisch unterwegs im Alpstein

Well show me the way
To the next whiskey bar
Oh don’t ask why
Oh don’t ask why

The Doors (Bertolt Brecht/Kurt Weill / Alabama Song)

Der Appenzeller Whiskytrek ist eine Erfolgsgeschichte der Brauerei Locher. Und «die höchstgelegene Whiskytour der Welt». Die Jagd auf die 26 edlen Säntis Malt-Fläschchen ist en huere Chrampf und füdlenütz für Warmduscher*innen, Sofa-Herrdöpfel*innen und für Sneaker-Träger*innen. (Regt sich wirklich noch jemand über das Gendersternchen auf? – Sälber tschuld!) Der tapfere alp. hat sich in trittsicheren Bergschuhen auf die Socken gemacht und vier von fünf angesagten Dezilitern auf einen Streich eingesammelt. Und einmal mehr festgestellt, was der Alpstää für en huerechoge steile, extrem schöne Sauchrache ist. – Vorsicht, halsbrecherischer Beitrag in Wort & Bild, inspiriert von der Schroffheit des Alpsteins und der Schönheit des Lebens!!!

Der moderne Sonntagsschoppen fährt Bahn; mehr Infos unter appenzellerbahnen.ch/erlebnisse.

Man weiss es inzwischen: Der Quöllfrisch unterwegs-Autor alp. ist ein in Zürich lebender Osserrhödle. Bürger von Schönengrund. Und eigentlich kennt er den Alpstein seit Kindesbeinen. Nicht gerade wie seinen Hosensack, aber auch er hat in der Schule einst die drei Bergreihen auswendig gegipfelt. Und er hats schon andernorts erwähnt, sein ewig eingebranntes Tschumpel-Trauma: Während die andern in der Badi hockten, hatte er mit Eltern und kleinem Bruder mitzutschumpeln, auf jeden hinterletzten Bergzipfel im näheren Umfeld. Sieht doch überall gleich aus, monierte er. Die beiden acht und sechs Jahre älteren Geschwister hingegen waren von dieser Schikane befreit (sie hatten andere). – Kurz nach Wil steht ein Fuchs in einer Wiese. Am helllichten Tag. Na, die Gans hat er jedenfalls nicht gestohlen.

Lokal & international: Spanisches Centro Español Appenzell neben dem Bahnhof mit Cerveza Appenzeller.

Jedesmal, wenn ich in Gossau auf die Appenzeller Bahn wechsle und in die sanfte, im Moment saftiggrüne Hügellandschaft mit ihren verstreuten En Appezellerhüüsli / hed Frohsinn on Verstand / Ond luegt mit helle Schiibe /i d Sonn ond wiit is Land // Ond send au d Täfel vorne / Recht bruu ond hübsch verbrennt / Me wird bi öös vom Wetter /Nütz möndersch as verwennt // Drom hed au s Huus för d Chelti / De gschendlet Tschoope n a / ond d Fenschte henne n osse / mönd Regetächli ha. // Es stoht i mengne Gfohre / Ond glich i Gottes Hand / Ond hed wie d Lüüt drenn inne / Vill Frohsinn ond Verstand und den friedlich grasenden Hornkühen, in Richtung Alpstein fahre, erstaunt mich der Gegensatz der sanften Hügel und dessen felsige Rauheit, steil und geröllig. Das Appezellerhüsli-Lied habe ich übrigens in der Schule immer sehr gern gesungen, vielleicht weil es von lebendigen Häusern handelt und nicht von töteligen, die den damals noch als Indianer bezeichneten Native Americans als Gräber der Lebendigen Toten galten. – Wird eigentlich heute noch g’Indiänerlet – falls ja: sagt man dazu jetzt g’Native Americanlet?

Brutale Hitzewelle vermeldet

Nau.ch vermeldet in der Appenzeller Bahn: Brutale Hitzewelle in Europa! Und die NZZ vom 18. Juni 22: Bis auf ein paar Schleierwolken dürfte es in den nächsten Tagen so schön und heiss werden wie noch nie in diesem Jahr. Am Freitag um 16 Uhr zeigte die Messstation in Biasca (TI) 36,6 Grad an. Damit fehlten nur noch 0,3 Grad bis zum schweizweiten Junirekord von 36,9 Grad aus Basel im Jahr 1947, wie «Meteonews» auf Twitter bekanntgab. Ich erinnere mich an heisse Junitage in der Kindheit. Mein Geburtsmonat blieb mir immer als frühsommerlich warm und sonnig in Erinnerung, obwohl es dann später viele verregnete Junis gab.

Und nach dem – laut meteoschweiz.ch – zweitwärmsten Mai seit Messbeginn, nur der Mai 1886 war noch wärmer, heizt auch der Juni klimaerwärmungstechnisch tüchtig ein. Aber würkli brutal zu nennen sind Rekordhitzen über 50 Grad, wie sie dieses Jahr im April in Indien, Pakistan und im Mai in Frankreich, Spanien und Portugal gemessen wurden. Warm, sonnig und zu trocken. In Summe war der Frühling 2022 schweizweit deutlich zu warm und mit einem Temperaturüberschuss von 1,2 Grad der viertmildeste seit Messbeginn, so meteoschweiz.

Ausschnitt aus der Whiskytrek-Karte. Meine Tour: 2-23-9-4.

In letzter Zeit bin ich nicht viel gewandert, habe also weder allzu viele Kilometer noch Höhenmeter in den Beinen. So setze ich auf das Gedächtnis meiner Beinmuskeln: Hoffentlich bauen sie sich in sekundenschnelle neu auf, um die frei geplante Route Wasserauen-Ebenalp-Seealpsee-Wasserauen locker zu meistern. Ein spirituelles Aufblasen quasi, das mich – ebenso hoffentlich – nicht zum Michelin-Männchen werden lässt, wie einige der hippen, meist tätowierten Körperoptimierer*innen. Whiskytrekmässig wären das nach Plan also fünf Restaurants: Aescher-Ebenalp-Seealpsee-Forelle-Alpenrose. Viel Schweiss für total fünf Dezi Whisky. Aber Pläne sind ja heutzutage Makulatur, bevor sie fertig gesponnen sind, gell. Und nebenbei gefragt: Wann begannen eigentlich die Tattoos so inflationär aus dem Kragen den Hals hinauf zu kriechen?

Marco Fritsche hat übrigens 2018 den Versuch gemacht, die damals 27 Whiskytrek-Stationen in 27 Stunden zu absolvieren. Ob ers geschafft hat? Wenn ja, wie? – Alle zehn Episoden Marco on Trek sind hier zu sehen.

Eben ist die Ebenalp auch nur in der Höh

In Wasserauen raus aus der Appenzeller Bahn und rüber zur Talstation der Luftseilbahn, die nach kurzer Wartezeit nicht zu eng befüllt abhebt. Eigentlich meide ich meistens die Gipfel, auf die Seilbahnen Hundertschaften an Wanderfreudigen hochpumpen. Wenn wandern, lieber ohne die Andern. Ich geniesse jeweils diese speziellen Momente der überwältigenden, beinahe absolute; und nerve mich dann schon über weit entferntes knie- und hüftschonendes Wanderskistockgeklacke. Gibt doch Gummis für untendran, oder? Wie Physiotherapeutin und Bergführerin Flurina Goerre dem Kassensturz sagt, wären sie für mich heute sogar genau das Richtige gewesen: «Der grösste Vorteil der Wanderstöcke zeigt sich beim abwärts Wandern. Man kann damit die Gelenke in den Beinen entlasten – Füsse, Knie und Hüfte.» Um diesen Effekt zu erzielen, muss man die Stöcke richtig benutzen: Im Abstieg beide Stöcke einsetzen und die Arme bewusst belasten.

Appenzeller Urbär, Neandertaler & Eremiten

Aber heute gehts ja nicht nur ums Wandern in möglichst intakter Kunstnatur (meine Theorie besagt, dass unsere Eidgenoss*innen-Natur mehr oder weniger nur noch menschgemachten Naturschutzzonen besteht), sondern auch ums Jagen bzw. Sammeln. Und das Seilbähneln habe ich immer schon gemocht, auch wenns mal schunkelte oder nach dem Mast kurz freifällig wurde. Ich mag auch den Power im Flugzeug, der einen beim Abheben in den Sessel drückt.

Auf dem Weg zum Äscher: Warenumschlagplatz unter der Seilbahn.

Oben angekommen dem Wegweiser nach zur ersten Whisky-Trophäe im weltberühmten Äscher. Wahrscheinlich wäre es schlau gewesen, zuvor im Berggasthaus Ebenalp schnell den ersten Whisky zu ergattern. Nachher bin sogar ich immer etwas schlauer. Der Weg zum Äscher ist einfach zu gehen, quasi eine Autobahn für die Füsse. Vorbei an der Wildkirchlihöhle, von der es im Historischen Lexikon der Schweiz heisst: Drei untereinander verbundene weite Höhlen (Altarhöhle oder Kirchlihöhle, Untere Höhle, Obere Höhle) auf 1488-1500 m Höhe in der bis zu 120 m hohen Felswand am Ostrand der Ebenalp, südwestlich von Weissbad (Gemeinde Schwende AI). Die Altarhöhle mit flachem Tonnengewölbe, deren Eingang sich vorhallenartig erweitert, wurde von Pfarrer Paulus Ulmann 1657 als Kapelle eingerichtet. Diese erhielt 1785 eine Altarrückwand, 1860 ein neues Glockentürmchen. Eine Mauer schliesst gegen den hinteren Höhlenteil (Kellerhöhle) unter dem nassen Querspalt ab. In der Unteren Höhle wohnten 1658-1853 während der Sommermonate Eremiten. Danach wurde sie als Festhütte (Gasthaushöhle) des Gasthauses Aescher benutzt. Seit 1972 dient das erneuerte Eremitenhäuschen als Museum. Die Untere Höhle verengt sich hinten zu einem Gang, der im Berginnern in eine hohe, weite Höhle führt (Obere Höhle). Darin erreicht man über eine mächtige Schutthalde 12 m höher das Höhlentor. Die Höhlen seien auch Winterlager, Wurf- und Sterbeort der Höhlenbären gewesen und auch Spuren von Neandertalern der sogenannten Wildkirchli-Kultur wurden gefunden. Weiss ja inzwischen jedes Kind.

Oha, der Herr Joh. Gottfried Ebel sagt mir bis grad soeben gar nichts

Plötzlich stehe ich vor der Gedenktafel des mir unbekannten Joh. Gottfried Ebel 1764-1830. Reiseschriftsteller. Erforscher der Alpen. Freund der Appenzeller. Mir gefällt das Freund der Appenzeller besonders gut, da ich von Tuten und Blasen keine Ahnung habe, wofür diese kryptischen Worte stehen. Das liegt nicht an der strikt männlichen Formulierung, denn schliesslich gab es damals ja sowieso noch kein Appenzellerinnenstimmrecht und schon gar keine LBGTQ+-Buchstaben-Community (LesbianGayBisexualTransgenderQueer orQuestioning / mit Plus ist gemeint LGBTTTQQIAA: LesbianGayBisexualTransgenderTranssexual2/Two-SpiritQueerQuestioningIntersexAsexualAlly+ Pansexual+ Agender+ Gender Queer+ Bigender+ Gender Variant+ Pangender). – Isch jetz emol entli alles klar mit dem huere Dibischnäbiwegglizügs? (s. auch Quöllfrisch unterwegs-Beitrag Bier, Bär & Dibischnäbi.)

Die erste Tafel «Unserm Ebel» hing von 1870-1946; die aktuelle hängt seit 1991 am Wildkirchli-Fels.

Na, dann lasst uns den unbekannten Herrn Ebel mal guguselen und entdecken, dass der in der Schweiz immer weiter wachsende Internetgigant dessen Schriften sogar eingescannt hat. Ist also alles im Originallaut online nachzulesen. Gratis & franko. Johann Gottfried Ebel wurde im damals preussisch-schlesischen, heute polnischen Züllichau (ein bisschen Zürich auf Chinesisch) geboren und verstarb in Zürich (chin.: Zülich). Er studierte – laut Wikipedia – in Frankfurt a.d. Oder, Wien und Zürich Medizin und promovierte 1789. 1790–1792 reiste er ein erstes Mal durch die Schweiz und liess sich darauf als Arzt in Frankfurt a.M. nieder.

1793 veröffentlichte er sein bekanntes Werk Anleitung, auf die nützlichste und genussvollste Art die Schweiz zu bereisen – das erste gute Reisehandbuch für die Schweiz. Dieses habe zusammen mit dem auch als Bibel der nachmaligen Appenzell-Begeisterung bezeichneten Zweibänder Schilderung der Gebirgsvölker der Schweitz Friedrich Schillers Wilhelm Tell beeinflusst, der ja nie Schweizer Boden betreten hat. Seine Natur- und Gebirgsszenarien des Vierwaldstättersees seien eine von Ebel entliehene Mischung mit Bodensee- und Appenzeller Alpenlandschaften. Tja, dass der Wilhelm Tell mit Haut und Haar erfunden ist, wissen und glauben noch immer nicht alle. Aaber fast hätte er also auch ein Appenzeller sein können.

Die erste Tafel: «Unserm Ebel»

Wie man hier nachlesen kann, wurde die erste Tafel 1870 montiert und geht zurück auf die Gründer der SAC-Sektion Appenzell. Ebel hatte in seiner erwähnten Schrift Schilderung der Gebirgsvölker der Schweitz als einer der ersten auf die Gebirgsregionen der Schweiz aufmerksam gemacht; wobei der gesamte erste Band dem Appenzellerland gewidmet ist. Nun wollten es ihm die vier Alpsteinfreunde nach Vorbild der Innerschweizer Felsinschrift für Friedrich Schiller mit einer Eisentafel danken, auf der schlicht stand: «Unserm Ebel». 1946 entfernte der damalige Äscherwirt die inzwischen ordli von Wind & Wetter ramponierte Tafel klammheimlich. Erst 1991 wurde die jetzige, von der Glockengiesserei Rüetsche AG in Aarau gegossene Bronzetafel montiert.

Der Dichter und Forscher sei im brieflichen und persönlichen Kontakt mit den führenden Köpfen der Schweiz, aber auch Europas mit Natur- und Kulturforschern wie den epochalen Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt gestanden, mit grossen Philosophen des deutschen Idealismus wie Fichte, mit reformerischen Staatsmännern wie dem Reichsfreiherrn von Stein und mit Dichtem von weltliterarischem Rang wie Hölderlin. Er habe aus Liebe zu seiner Wahlheimat Schweiz diverse herausragende Posten in Deutschland ausgeschlagen.

Hier einige Auszüge aus Band I der Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz von Johann Gottfried Ebel:

Wahre Ohnehosen.

Die sonderbare Tracht der Männer verdient nähere Beschreibung. Die Männer tragen eine kurze Jacke, eine Weste, und lange bis dicht auf die Schuhe reichende Beinkleider, welche ein breiter Hosenträger in die Höhe hält. Ohne diesen würden die Appenzeller, wie wahre Ohnehosen dastehen, denn ihre Beinkleider sind so kurz, dass fast allen das Hemd hinten herabhängt. Man will versichern, dass das weit berabhängende Hemde bei vielen eine Koketerie sei, allein ich habe es bei Männern von solchem Alter und gesetztem Wesen bemerkt, dass dies wohl nicht der Fall sein konnte. Da der Gurt nur bis in die Höhe des Schenkelkopfes steigt, so zieht sich das Hemd bei jeder beugenden Körperstellung nothwendig weiter hervor, und muss hernach herabhängen; wie wohl mir dies äusserst drollig vorkam, so musste ich noch mehr lachen , als ich in die grosse Wirthsstube trat. Die sitzenden Männer, welche ich von hinten sah, gaben mir einen zu sonderbaren Anblick. Ich traute anfänglich meinem Auge nicht, so unanständig schien mir diese Anzugssitte, wodurch bei Körperbeugungen, und besonders bei der sitzenden Stellung gewisse Theile dem Auge in ihrer ganzen Form nur von dem dünnen Hemd bedeckt, recht sichtbar gemacht werden. Die Stube war voll Weiber und Mädchen, und ich bemerkte wohl , dass nur mir allein dieser Anblick neu war. Als ich heute auf meiner Reise bei Häusern vorbeiritt , so hatte ich bemerkt , dass die Weiber zu lachen anfiengen und dass bisweilen aus allen Fenstern ein Kopf herausfuhr, und das Gelächter aller guckenden Personen mich lange begleitete. Hier in der Wirthausstube sah ich ebenfalls, dass mehrere Frauenzimmer über mich lachten; da ich sie um die Ursach frug, antworteten sie mir ganz naiv: Ihr seid gar zu lächerlich. Den Appenzellerinnen schien es eben so komisch, jemanden zu sehn , der die Pantalons oberhalb den Hüften fest geknöpft trägt, als mir, hier Männer zu erblicken, welche von hinten betrachtet ganz wie wahre Ohnehosen dasassen. Sitte und Gewohnheit haben unglaublichen Einfluss auf unsre Vorstellungsarten, und auf die Eindrücke, welche äussere Dinge auf die Imagination machen.

VIII. Innerrhoden. Ankunft in dem Flecken Appenzell. Reise von Herisau. Landestracht. Physischer Charakter des Volks.
Bild aus Schilderung des Gebirgsvolkes vom Kanton Appenzell

Standesfarbe.

Das Appenzeller Wappen besteht aus einem schwarzen Bär im weissen Felde , daher erhalten die Amtsdiener eine Kleidung und einen Mantel, welche halb weiss und halb schwarz sind. Diese Farben nennt man die Stansdesfarbe, und von den Personen, die in derselben gekleidet sind , sagt man: Sie tragen die Standesfarbe.

VIII. Innerrhoden. Ankunft in dem Flecken Appenzell. Reise von Herisau. Landestracht. Physischer Charakter des Volks.

Aufstieg zum Wildkirchli.

Gleich hinter Weissbad liegt die Laasmühle, welche vom Sitterbach getrieben wird, und hier fängt man an zu steigen. Der Weg ist voll kleiner Steine und deswegen rauch. So gehts bergan eine und eine halbe Stunde bis zu dem Wildkirchlein. Aber kurz vorher, ehe man dahin gelangt, wird der Wanderer geprüft, ob das Schauderhafte eines grässlichen Abgrunds ihm erlaubt, schwindelfrei zu bleiben und die letzten Schritte zu tun. Der Fusssteig, welcher zu dem Wildkirchlein an einer senkrechten Gebirgswand hinführt, wird immer schmäler; der Felsen zur Linken immer drohender; der schwarze Abgrund zur Rechten rückt immer näher unters Auge; man wagt weder umzuwenden noch umzuschauen; man drückt sich ängstlich an der Steinwand bis an den fürchterlichen Punkt fort, wo eine hölzerne Brücke an den Felsen befestigt und über den grässlichen Abgrund unmittelbar hängend den Fussweg fort setzt, nichts als ein Strick bietet sich der bebenden Hand dar. Am Ende dieser in der Luft schwebenden Bretter ladet ein offenes Häuschen freundlich ein und nur dies gibt dem erschrockenen Fremden so viel Mut, die letzten Schritte über den schwarzen Abgrund zu wagen. Ich athmete wieder mit freier Brust, als ich in dem Häuschen srand, und betrachtete nun mit dem gemischten Gefühl eines Angst- und Freudenschauers süsser Wärme die überstandne Gefahr.

XII. Spaziergang nach den Wildkirchlein, auf einige Alpen Innerrhodens. Bäder. Höhlen und Seen.
Das namensgebende Wildkirchli kam weit nach den Höhlenbewohnern: Die romantische St. Michaelskappelle sei von bescheidenem kunsthistorischem Wert, heisst es ganz unromantisch auf appenzelltourismus.ch.

Einsiedler & Ebenalp

Der Einsiedler, welcher den ganzen Sommer hier zubringt, wohnt in einer zweiten Höle, in welche man aus der erstern durch eine Thüre gelangt; sein Haus besteht aus zwei Kammern und einer Küche. In der einen Kammer fand ich einen Ofen, und einen Bettkasten; die Aussicht aus dem Fenster ist herrlich, und ganz die nemliche, welche man bei dem offenen Häuschen geniesst. Das ganze Geschäft dieses Einsiedlers besteht darin, für die Hirten zu beten, und täglich fünfmal die Glocke zu läuten, welche durch alle Alpen erschalt, und die Sennen zum Gebet auffordert. Alle Feiers- und Sonntage gehen die Älpler hierher zum Gottesdienst, und bei sehr üblem Wetter suchen sie auch in diesen Hölen Schutz. Dafür erhält der Feldenbruder von ihnen Käse, Butter, Milch, Molken, und die Erlaubnis, zwei Ziegen weiden zu lassen, wo er will. Im Winter wohnt er bei Appenzell, und ernährt sich durch Spinnen, oder andere Arbeit. Hinter dem Einsiedler-Hause öfnet sich noch eine dritte etwas geräumigere Höle; sie mag 200 Schritt lang, 60 breit, und an den höchsten Punkten 10 Fuss hoch sein, ob sie gleych an manchen Stellen so niedrig war, dass ich mich bücken musste. Sie scheidet sich in zwei Gewölbe; das erstere ist hoch, weit und eben, die Decke mit sonderbar geformten Tropfsteinen und Mondmilch bedeckt, von welcher stets ein helles Wasser herabtropft, welches sich in einigen ausgehölten Baumstämmen sammelt. Der Eingang in das zweite Gewölbe ist sehr beschwerlich; Dunkelheit, und grosse von der Decke gefallene Felsstücke, welche auf dem Boden liegen, machen den Durchgang mühsam. Man steigt etwas aufwärts und zu oberst findet man eine kleine Thüre. Sobald man durchgekrochen, und noch einige fünfzig Schritt gestiegen hat, so befindet man sich auf einer weiten und herrlichen Alp, welche Ebenalp genannt wird, weil sie ganz flach ist. Der Schweitzer nennt jeden Weidegang auf den Gebirgen Alpe, und hängt dieser Benennung ein Vorwort an, wodurch er eine jede bestimmt bezeichnet, und von andern unterscheidet. Ich warf mich auf das kurze schöne Gras, um die ausserordentliche Aussicht, die sich hier darbietet, und welche nach dem Aufenthalt in den Berghölen desto glänzender und überraschender ist, in behaglicher Musse zu geniessen. Der Kanton Appenzell liegt als ein Miniaturgemälde ausgebreitet da, welches der schimmernde Bodensee in der Ferne einzufassen scheint, und über den hinaus der Blick tief nach Schwaben dringt. Ich konnte mich, an dem herrlichen und sonderbaren Anblick dieses hügelreichen Landes nicht satt sehen. Von allem, was mein Auge entdeckte, wollte ich näher unterrichtet sein, aber mein Führer konnte mir nicht immer Genüge leisten; desto mehr erzählte er mir von den Seen, Berghölen, und Alpen der Appenzeller Gebirge.

XII. Spaziergang nach den Wildkirchlein, auf einige Alpen Innerrhodens. Bäder. Höhlen und Seen.
Bild aus Schilderung des Gebirgsvolkes vom Kanton Appenzell

Aescher, Restaurant am Berg: Edition AESCHER. Säntis Malt. Pinot-Noir Finish.

Nach rund einer Viertelstunde gelangt man an das eindrücklich an und in den Fels geschmiegte, schmucke Gasthaus Aescher. Mit Baujahr 1860 sei es eines der ältesten Berggasthäuser der Schweiz und inzwischen wohl auch eines der häufigst fotografierten.

Einmalig, wie sich der Äscher in den Fels kuschelt; gut erreichbar mit der Ebenalpbahn: Station Nr. 1 (im Whiskytrek-Pass Nr. 2): Säntis Malt Edition Aescher, Pinot-Noir Finish.

Das aktuelle Team – Wir sind Pfefferbeere, die Köpfe vom Aescher – bewirtschaftet die Kultbeiz nun seit 2019. Man kann auch übernachten. Als ich eintrudle, ist schon einiges los in der Gartenbeiz und ich kaufe den hiesigen Whisky (Fassbon Nr. 2) und ziehe nach kurzem, aber schlagfertigem Wortwechsel mit der Serviererin: Der Whisky laufe gut, sie selbst habe den gesamten Trek auch schon gemacht. Ich: Inklusive Gürtelschnalle als Belohnung? Sie: Damals gabs einen Setzkasten. – Ja, aber dann kann man den Whisky ja gar nicht trinken? – Man darf erst mit Trinken anfangen, wenn er voll ist. – Erst, wenn er voll ist, kann man anfangen, ihn zu leeren? Oder man kauft jeweils zwei Fläschchen: eines zum Trinken und eines zum Sammeln. – Das geht aber dann ordli ins Geld!

Natüterli lääremer ondewäx käs vo däne gütterli. Auf dem zum Whisky erhaltenen Appenzeller Whiskytrek-Pass ist das in Neudeutsh vermerkt: Don’t drink & hike, also Nicht wandern & trinken!

Blick, 23.6.22: Das Berggasthaus Äscher im Appenzellerland ist der schönste Ort der Welt – das behauptet zumindest der renommierte Reiseverlag «National Geographic». Auf deren Buch «Destinations of a Lifetime» (2015) prangt das Gasthaus, das sich an einen Felsüberhang schmiegt, auf der Titelseite. Wandernd erreicht man das Äscher ab Wasserauen AI (drei Stunden) oder bequemer ab der Bahnstation Ebenalp (15 Minuten).

Appenzeller Hühner & andere seltene Geschöpfe

So. Der Held hat die erste Aufgabe mit Bravour gemeistert. Jetzt gehts eigentlich erst richtig los. Vorläufig aber führt noch ein Kiesweg um den Berg herum. Den nehme ich, um unterwegs zu entscheiden, den Bogen zum Restaurant Ebenalp nicht zu machen. Also, Planänderung Richtung Bescheidenheit. Kein blinder Ehrgeiz, du bist untrainiert, also übernimm dich nicht: nur vier Whiskytrek-Trophäen heute. Gleich nach dem Aescher entdecke ich einen Stall mit den superschönen Appenzeller Spitzhaubenhühnern (Gallus Gallus Domesticus).

Hübsch sind sie, legen aber zuwenige Eier: Drei Exemplare der beinahe verschwundenen Appenzeller Spitzhaubenhühner (Gallus Gallus Domesticus), die angeblich auf Bäumen schlafen, wenns denn welche hat.

Natürlich gugusele ich diese lustigen Geschöpfe später. Und erfahre auf der Website des Tierparkes Goldau, dass sie auf Bäumen schlafen. Aha. Auf den Baumstrünken? Andere Bäume sind nicht zu sehen, hier oben. Dass sie mit der weit verbreiteten Hybridzucht nicht mithalten konnten. Und weiter: Das Spitzhaubenhuhn ist eine von vier Hühnerrassen, die ihren Ursprung in der Schweiz haben. Vor allem in Klöstern wurde das Spitzhaubenhuhn gerne gezüchtet. Noch vor 100 Jahren war die Rasse vorwiegend in der Ostschweiz verbreitet. Durch die staatlich verordnete Rassenbeschränkung im vergangenen Jahrhundert blieb das Spitzhaubenhuhn nur in den Kantonen Appenzell Ausser- und Innerrhoden erhalten, weshalb die Rasse den Namen «Appenzeller Spitzhaubenhuhn» erhielt.

Gegen Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts gab es nur noch vereinzelte Haltungen, so dass der Fortbestand dieser Haushuhnrasse nicht mehr gesichert war. Die im Vergleich zu anderen Hühnern geringe Eierlegeleistung war ein zusätzlicher Nachteil, der dazu führte, dass die Haltung immer unbeliebter wurde. Die Organisation «Pro Specie Rara» fördert das Appenzellerhuhn mit einem Erhaltungsprogramm.

Dort heisst es: Eine Diva, gemacht für die Berge. Ihr leichter Körperbau, das hübsche Federkleid und der ausgefallene Kopfschmuck lassen nicht unbedingt auf ein Huhn schliessen, das perfekt an das Leben in Gebirgsregionen angepasst ist. Die Spitzhauben sind jedoch äusserst robust und widerstandsfähig. Sie suchen ausdauernd einen guten Teil ihres Futters selber, klettern geschickt auf felsigem Grund und sind sehr kältetolerant. Die sehr kleinen Kehllappen und die zwei Hörnchen, die sie anstelle eines Stehkamms besitzen, frieren auch bei strengem Frost nicht ab.

Für die Gehegebauer*innen stellen sie zuweilen eine Herausforderung dar. Denn als gute Flieger lieben sie es, hoch oben auf Bäumen zu sitzen oder gar dort zu übernachten. Wer nicht jeden Abend seine Tiere mit der Leiter einsammeln möchte, ist gut beraten, Jungtiere an das Übernachten auf der Sitzstange im sicheren Stall zu gewöhnen, indem «Freiluftschläfer» beim Eindunkeln konsequent in den Stall zurück gebracht werden. Dafür danken es die attraktiven Hühner mit Vitalität, Langlebigkeit und Fruchtbarkeit. Pro Specie Rara setzt sich auch für das ebenfalls sehr robuste und zudem zuverlässig Eier legende Appenzeller Barthuhn ein. Sind den Appenzeller Hühner eigentlich alle an der Frisur zu erkennen, mal Bart, mal Spitzhaube? Und gibt es noch weitere typische Appenzeller Haustiere, die zu retten sind? Ah, klar: Der Appenzeller Bläss (stabil bei enger Zuchtbasis) macht sich auch mehr und mehr rar – und natürlich die weissen Appenzeller Geissen (Bestand leicht zunehmend). Artenvielfalt muss auch bei den Haustieren gepflegt werden, gell.

Hier hat man die Gofen noch im Griff, hoffentlich

Kenn ich. Wir wurden früher mit einem Gstältli gesichert. Ebe: Bis zum Aescher problemlos, aber danach empfiehlt sich sehr solides Schuhwerk für gute Trittsicherheit.

Ich habe mich immer wieder gefragt, wie meine Eltern mich und meinen kleinen Bruder so krasse Abhänge bewältigen lassen konnten. Vor der Tafel mit Aufforderung Kinder mit Leine sichern fällt es mir wieder ein: Mir wurde ein Seil um die Hüfte gebunden, der Kleine wurde in ein Gstältli gezwungen. Hatte ich vergessen. Verdrängt. Von abgestürzten Kindern habe ich zwar noch nie gehört, von im Alpstein abgestürzten Wanderern ist aber immer wieder zu lesen. Und einen kannte ich sogar füchtig. Ist aber lange her. Harmlos sind die steinigen Wege jedenfalls nicht, also nur mit gutem Schuhwerk, gell.

Ich wähle den Weg Richtung Altenalp, obwohl ich eigentlich auch an der Abzweigung mit der Tafel nach unten hätte stechen können. Wär schneller gewesen, aber wir wollen ja ägetli slowdownen, nicht live-fast-die-youngen. Zuerst gehts mal ein Stück nach oben. Die Altenalp ist keine Whisky-Trek-Station und ich entscheide mich an der nächsten Wegscheide fürs gnadenlose Runterstechen, bin aber nun natürlich schon recht viel höher.

Wenns mal neblig wird: Immer den weiss-rot-weissen Wanderweg-Bemalungen nach und den gelben Wegweisern nach.

Abe goht immer, heissts auf dem Bau. Die meisten mir unterwegs Begegnenden steigen allerdings klugerweise auf, was schon gesünder ist für die Knie. Interessant auch: In der Nähe der Bergstation Ebenalp hört man Sprachen aus aller Welt. Unterwegs grüssen die meisten in Schweizer Dialekt, während sich dann beim Seealpsee vor allem Menschen aus dem Grossen Kanton zu tummeln scheinen. Keine repräsentative Studie, aber ein subjektiver Schnappschuss, der vielleicht nur grad für mich im Moment so zu sein scheint.

Die drei ??? und das Rätsel der frischen Kuhfladen

Es geht zuerst mal bergauf durch einen Wald, später aber vor allem noch absi, absi, absi, nichts als absi. Ein Wunder, dass die strapazierten Kreuzbänder gehalten haben. Absi, absi, absi. Mit teilweise 40-Zentimeter-Tritten. Aber es gibt auch angenehm flache Wege. Ich geniesse es, unter blauem Himmel in der Sonne mit leichtem Wind, bewegten Gräsern, feinen Farbtupfern von Alpenblumen, lautlos schmetternden Schmetterlingen über Stock und über Stein zu hüpfen.

Dann und wann ein mehr oder weniger frischer Kuhfladen mit nervösen Fliegen drauf. Die stieben auf und setzen sich sofort wieder. Wobei mir die ersten, frischdunklen Fladen noch das Rätsel aufgaben, wer denn diese hierher gelegt haben könnte, da sich weit und breit keine Kuh zeigte. Erst beim Brunnen vor der Alphütte entdecke ich einige Exemplare.

Wo mögen nur die Kühe sein, die diese grossen frischen Fladen mit den schillernden Fliegenhorden auf den Weg gelegt haben? – Ah, da sind sie ja, die Urheberinnen.

Mal muss man zur Zaunquerung drei Bretter beiseite schieben, mal den isolierten Elektrodrahtgriff aus- und wieder einhängen, mal durch ein Drehkreuz gehen, mal kann man über einen tiefer gelegten Draht steigen. Muntere Artenvielfalt auch hier, immer mit der Bitte, die Zäune auch wieder zu schliessen.

Kulturaustausch Graubünden-Appenzell. Ach, übrigens: Auf meiner persönlichen Whisky-Trek-Tour habe ich bis zum Seealpsee keinen einzigen Biker angetroffen.

Über grosse Strecken begleitet mich die wunderbare Aussicht auf den blaugrün leuchtenden Seealpsee unten im Tal. Ein Tritt daneben und du schwimmst im wahrscheinlich saukalten Wasser, der schöner glitzert als jeder noch so blaue Swimmingpool.

Auch meine Freunde, die Dohlen sind da, nicht viele, aber immerhin. Hellblaue und schwarze Schmetterlinge. Und immer wieder ein alter Kumpel, den wir damals noch in der Schule züchteten und mit Brennesseln fütterten: Der orange Kleine Fuchs.

Im Moment ungefährdet: Der Kleine Fuchs.

Das Leben als Wunder & Wahn

Mindestens so kunstvoll wie die Patrouille Suisse, tausendmillionenmal günstiger, rotzfrech und unbestritten nachhaltig: meine Freund*innen, die Appenzeller Dohlen, sind schon da.

Das Leben in dieser rauhen Natur bringt eine fein ziselierte Pracht mit unglaublichen Farben hervor: Unzählige Nuancen von Feld-Wald-&Wiesengrün. Das Blau des Himmels, zerfetzt und durchzogen von mehr und weniger schlierigem Wattenwolkenweiss. Flugzeugkondensstreifen. Ferne Kuhglocken, Hundegebell und Hirtenrufe. Ein Hauch von Wind. Schneeflecken. Schatten. Die Grau-, Schwarz- und Brauntöne von Erde, Geröllhalden und des rissig-bröckligen Kalksteins. Vom vielen Drüberlatschen teilweise richtiggehend hochglanzpoliert. Dazu die bunten Akzente der Alpenblumen, punktuell gesetzt. Und das Schwarz der Dohlen, natürlich. Der Himmel auf Erden.

Wow! Was für ein gelungen chaotisches Alpenblumenbouquet! Wieviel das wohl in Franken wert ist? Mit und ohne Steine berechnen, bitte!

Bei all dieser Schönheit stellt sich mir einmal mehr die Frage: Wie konnten wir Menschen dazu gelangen, alles in abstrakte Zahlen umzuwandeln? Ist es nicht schon vermessen, alles zu vermessen? Und noch schlimmer: Alles Mögliche und Unmögliche in Geldwerten zu beziffern? Die Natur kennt keine Kostenrechnungen. Das Tauschmittel Geld ist ein Täuschmittel, da es vorgibt, alles sei bepreisbar und damit käuflich. Zahlen über Zahlen.

Der Mensch hängt in den Seilen: Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.

Was man nicht weiss, fehlt in der Rechnung. Zum Beispiel fehlte das heute einberechnete CO2 bis vor nicht allzulanger Zeit. Die grosse Unbekannte fehlt quasi immer, auch wenn die Arithmetik stimmt. Der Teil erfasst nur den Teil, nicht das Ganze. Die rund 10 000 Teile eines VWs ergeben noch lange keinen funktionierenden VW. Das Zusammenspiel der Kräfte entspricht keiner noch so komplexen Teilrechnung. Mit trügerischen Statistiken fuchtelt jeder mittelmässige Sogenanntmanager und Überbezahlt-Consultant herum, ohne dass klar ist, auf welchem Mist die Zahlen gewachsen sind. Nicht nur Churchill glaubte ausschliesslich Statistiken, die er selber gefälscht hatte. Der angeblich unbestechliche Zahlensalat soll am Ende sogar die fortschreitende MadMaxisierung aufhalten und die Welt retten, für die er zumindest mitverantwortlich ist. – Als Visionär tüftle ich aber an der ultimativen Problemlösung: An einer App nach dem Motto Let’s save the world with an App to save the world.

Was für wunderschöne Steinscherben: Niemals wurden die Menschen aus dem Paradies vertrieben – wir sitzen doch mittendrin.

Hier im Alpstein scheint die Welt noch in Ordnung. Rondom fliessen beruhigend viele kleine Bächlein, auch an einer gefassten Quelle komme ich vorbei. Während die Schlagzeilen im Rest der Welt Dürren, Fluten, Brände, Gletscherabbrüche und andere Extremereignisse verkünden. Ganz schlimm trifft die Dürre dieses Jahr Norditalien und der Sommer beginnt erst gerade. Niederschlagsarmut, frühe Hitze und wenig Schnee im Winter. Aber auch in Deutschland wird über anhaltende Trockenheit gejammert. Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz führt den nahen Säntis unter den Stichworten Rekorde und Extreme als nässesten Ort der Schweiz: Der mittlere Jahresniederschlag von 1991-2020 betrug 2’840 mm (s. dazu auch: Von der Quelle zum Etiketten-Sujet: Eine Wasserwanderung im Alpstein). Hoffen wir, dass da oben immer genug Wasser vom Himmel fällt, auf dass die quöllfrischen Quellen fürs Appenzeller Bier niemals versiegen mögen!

Eier sind gesund, liebe Veganer*innen!

A propos Unbestechlichkeit von Zahlen und Fakten beim Essen: Zu jeder Studie gibts mindestens eine Gegenstudie, die das Gegenteil verkündet. Als ich aufwuchs, sagte die Grossmutter, Eier sind gesund. Gut für die Augen und so weiter. Dann sagten wissenschaftliche Studien, verbreitet in den nichtwissenschaftlichen Medien, Eier seien Cholesterinbomben und führten zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Heute heisst es (focus.de, 13.4.22) unter dem Titel Cholesterin-Bomben oder Superfood? Die Wahrheit über Eier: Allerdings zeigen neuere Studien, dass Eier das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt sogar senken können. Demnach hatten Probanden, die bis zu fünf Eier pro Woche gegessen hatten, ein rund zehn Prozent niedrigeres Risiko für diese Krankheiten als Menschen, bei denen Eier nur ausnahmsweise auf den Speiseplan kamen. Ganz ähnlich ergings der Butter. Und und und.

Soeben hat ein Institut die Lebensmittelpyramide des Bundes aufgrund fehlender ökologischer Aspekte kritisiert. Natürlich gehört der Öko-Faktor mit eingerechnet. Oder glaubt wirklich noch jemand an die «gesunde» Avocado angesichts der vielfach beschädigten Unmengen davon in den Läden, der daran Millionen verdienenden, kriminellen Banden und der massiven Wasserproblematik? Auch Soja- und Mais-Monokulturen beruhigen nicht. Bei all den unzähligen Foodkurieren, die mit allerhand Fahruntersätzen und beschrifteten Thermorucksäcken in Zwinglitown herumkurven, frage ich mich, ob überhaupt noch jemand selber kocht auf dieser Welt.

Denn bewusste Ernährung durch eigenes Einkaufen und Kochen, Verdoppelung ballaststoffreicher Gemüse und Halbierung des Fleischanteils führe eigentlich fast wie von selbst auf den Pfad nachhaltiger und zugleich gesunder Ernährung. Ganz zentral seien dabei die Ballaststoffe, also Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst. brewbee-Produkte sind natürlich auch reich an Ballaststoffen. Fleisch und Fisch sollten die eigentliche Beilage sein. Wissen wir ja eigentlich. Und: Lieber weniger, dafür möglichst lokal, saisonal und bio. Aber nicht Spitzenwein predigen und sündbillig kaufen, gell.

Studie belegt: Täglich 33cl Bier gut für den Darm

Ein weiterer Kritikpunkt an der alles über einen Kamm scherenden Ernährungspyramide betrifft unsere Wohngemeinschaften im Darm. Inzwischen weiss man, dass das rund zwei Kilogramm wiegende Mikrobiom des Darms (die Gesamtheit aller mikrobiellen Mitbewohner im Darm, vor allem im Dickdarm) nicht nur einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit hat, sondern auch so einzigartig ist, wie unser Fingerabdruck. Es gibt also keine zwei exakt identischen Mikrobiome. Verträgt ein Mensch das eine Lebensmittel gut, kann es sich beim andern total negativ auswirken. Oder Weissbrot kann für einen Menschen gut sein, aber nur in Kombination mit Butter. Die individuell richtige Ernährung muss also jeder Mensch persönlich herausfinden.

Der Trainer des FC Liverpool Jürgen Klopp hat seit Jahren eine Ernährungsberaterin an seiner Seite, die für jeden Spielermillionär einen individuellen Ernährungsplan zusammenstellt, um dessen Leistungsfähigkeit zu optimieren. Mit oder ohne Wissenschaft, einfache Rezepte gibts nur im Kochen (und im Populismus). Logisch, dass auch in der Ernährungsberatung (Diäten, genetische Veranlagung usw.) viel Charlatanerie getrieben wird. Also nicht jeden Seich glauben, gell.

Während ich dies schreibe, vermeldet euronews.ch eine wissenschaftliche Studie, die mir gut in die Wurmbüchse passt. Sie beweist, dass ein Glas Bier (33cl) pro Tag das Mikrobiom des Darm vermehre, was immer ein gutes Zeichen sei für Verdauung und Gesundheit. Man wisse aber nicht, ob das bei zehn Bier auch noch gelte. Ob alkoholfrei oder mit mache aber keinen Unterschied. (Hier gehts zum Artikel: Paläobier in gesalzener Holobiontenkacke – der grosse Jahrtausende-Rückblick in die Zukunft.)

Barfusslaufen beim ersten Ruf des Kuckucks

Ich halte mich brav an die Wegweiser und aufgemalten Wanderwegzeichen, um die ich bei plötzlich auftretendem Nebel schon verdammt froh war, so allein in der einstigen Wildnis. Im Moment gehts krass bergab. Ich wünscht, ich wär Schmittchen Schleicher mit den elastischen Beinen und Knieen. Aus dem Wald schräg hinter mir höre ich tatsächlich mal wieder einen Kuckuck. Wieder holen mich nicht mehr ganz klare Erinnerungen ein. An Zeiten, als dieser trotz oder wegen seiner Schrägheit beliebte Vogel noch weit verbreitet war.

Kein Spaziergang: der steinige Wanderweg zum Seealpsee. Kurz nach dieser Passage hörte ich den Ruf des Kuckucks.

Ab Ruf des Kuckucks hiess es nämlich barfuss laufen, damals in Mollis und später in Heiden. Auf Kieseln die Hornhaut stärken, danach den ganzen Sommer durch fast keine Schuhe mehr. Hockt irgendwo im steilen Wald schräg hinter mir und ruft seinen namensgebenden Ruf. Habe ich schon Ewigkeiten nicht mehr gehört. Ist ja nach heutigen Massstäben alles andere als woke, der schräge Vogel mit dem schönen Namen. Müsste sein Verhalten nach heutmenschlichen Korrektheitsansprüchen klar ändern. Ob die heutige Jugend noch weiss, was der Kuckuck für ein Seckel ist? Dass er seine Eier in fremde Nester legt und das geschlüpfte Kuckuckküken dann seine Stiefbrüder und -schwestern erdrückt oder aus dem Nest stösst. Und die meist viel kleineren Adoptiveltern nun das Riesenbaby bis zur totalen Verausgabung fettfüttern müssen? Wüsset die da no?

Sicherung mit Seilhandlauf.

Vor allem, wenn es auf vogelwarte.ch , wo er unter potenziell gefährdet eingestuft ist, heisst (2018): Der Ruf des Kuckucks ist immer seltener Teil des Vogelkonzerts in unserem Land. Der neue Brutvogelatlas 2013–2016 der Schweizerischen Vogelwarte Sempach, der Ende Jahr erscheint, bestätigt den Befund: In tiefen Lagen geht der Bestand des berühmten Vogels seit den 1980er Jahren kontinuierlich zurück. Als Liebhaber behaarter Raupen leidet der Kuckuck unter dem Verschwinden von Schmetterlingen und anderen Insekten, das auf den Einsatz von Insektiziden und die Verarmung der Landschaft zurückzuführen ist. […] Der Kuckuck ist nicht nur ein Spezialist der «ausgelagerten» Fortpflanzung, er ist auch ein sehr guter Bioindikator. Wo der Kuckuck vorkommt, sind die Vögel in der Regel zahlreicher, als dort, wo der Kuckuck nicht vorkommt.

Auf haufenweise Maikäfer folgten die kleineren Junikäfer. Von beiden habe ich in den letzten Jahren nicht viele Exemplare gesehen. Obs am Stadtleben liegt? Später war der Juni dann oft nass und eher kühl. Und dieses Jahr brennt die Sonne lichterloh auf uns ein. Der steile Weg zieht sich mit teilweise 40 Zentimeter-Stein-zu-Stein-Tritten, an krassen Stellen mit Stahlseilhandlauf.

Das Zwischenziel kommt näher: Friedlich grasen die Kühe in der Ebene vor dem Seealpsee.

Ah, es besseret! Schön flach spaziere ich entspannt dem Ufer des Seealpsees entlang, das teilweise schwarz ist vor zappelnden Kaulquappen. Einige Appenzeller Geissen lassen sich von einer Wanderfamily genüsslich kraulen. Und auch die Kühe benehmen sich teilweise wie unser Quartierkönig, der Kater, der alle Passierenden ein Stück begleitet, um zu seinen Streicheleinheiten zu kommen.

Berggasthaus Seealpsee: Edition SEEALPSEE. Säntis Malt. Cognac Finish.

Genau zur Mittagszeit erreiche ich das Berggasthaus Seealpsee, wo ich mich an eines der raren Schattenplätzli am Haus setze. Natürlich werde ich sofort von da verscheucht, da die Vorbereitungen für die Juni-Losi mit A3 und Ländlertrio tanzARTig am nächsten Tag getroffen werden. Also setze ich mich an einen der aneinandergereihten Tische an der Sonne. Auch der extra für mich aufgestellte Goba-Sonnenschirm hilft nicht. Er ist zu klein und belegt nur gerade die Tischfläche mit Schatten.

Während ich nun also ein wohlverdientes Quöllfrisch aus der Flasche geniesse und auf SchniPoSa warte, werden zwei Kühlschränke, eine Bar und diverse Tische aufgestellt – alles gut gebrandet mit Appenzeller Bier. Grosses Theater. Da braut sich was zusammen, könnte man sagen. Dazwischen sorgt die Kuh, die anscheinend immer wieder in die Gartenbeiz eindringen will, mit lautem Gebimbel für Aufregung, die sich aber schnell wieder legt. Man kennt das schon.

In diesem rekordwarmen Juni sei schon verrückt viel los für die Jahreszeit, schnappe ich auf. Ein Helfer stellt einen Sonnenschirm genau so an einen Stuhl, dass die ankommenden Gäste ihn zuerst wieder wegbugsieren müssen, um sitzen zu können. Das übernimmt natürlich der junge Mann in der Familie. Wutsch! reisst er den Schirm am Stengel raus. Erst jetzt macht er sich am Betonsockel zu schaffen, im – wahrscheinlich – seiner Mutter den Sitzplatz freizulegen.

Das Quöllfrisch habe ich mir wohlverdient. Und das Essen natürlich auch.

Zur Bezahlung bestelle ich noch den hiesigen Whisky, von dem es auf seealpsee.ch heisst: Nach zwei Jahren Bierfass-Lagerung wurde dieser Whisky in ein Cognac-Fass umgefüllt, in dem er weitere drei Jahre ruhen und reifen durfte. Im Gegensatz zu Dessertwein-Fässern geben Destillat-Fässer üblicherweise kaum Süsse an den gefinishten Whisky ab. Hier wurden aber so viele Frucht- und weiche Holznoten übertragen, dass man keine Süsse vermisst. Und dieser ist nur bei uns erhältlich… – nun, der nächste Streich folgt sogleich einen Katzensprung weiter.

Vorbereitungen für die Juni-Losi mit vielen Appenzeller Bier-Sujets.

Gasthaus Forelle: Edition FORELLE. Säntis Malt. Ruby-Port Finish.

Hinter den Bäumen entdecke ich schon das Gasthaus Forelle mit seinem Whiskytrek-Fass in den Bäumen. Bei der Bruderklausen-Kapelle hinter dem Gasthaus findet sich ein scheinbar beliebter Badeplatz. Als ich ein Foto der offenen Kapelle machen will, ziehen sich grad eine Mutter und ihre beiden Kinder nach dem Bad im kühlen Bergsee um.

Ja, ja, verstehe, wer will: Kryptische Lebensweisheiten für Ja-Sager*innen in der Kappelle hinter dem Gasthaus Forelle am Seealpsee; sie dient den Badenden auch als Umkleidekabine.

Ich muss weiter, die Whisky-Mission ruft. Ab auf die Terrasse mit der tollen Aussicht. Und ich lerne, was ich eigentlich schon wusste, aber nie mehr gehört und in Flasche noch gar nie gesehen habe: en Ghürotne ist halb Apfelwein, halb Süssmost und es gibt ihn hier in der Flasche. Lustig auch: Auf moehl.ch finde ich den Ghürotne nicht, obwohl die Flaschen auf dem Nachbartisch von da kommen, aber in der uns vom Bschorle bekannten Mosterei Kobelt in Marbach hingegen schon. Hier gehts zum Bericht Ein Hochstammhoch aufs Bschorle.

Wir wissen von Simon Enzler, wie der Zacken geradeaus heisst. Oder? Plötzlich tätschts auch hier. Ein Glockenschlag und ein schiffshornähnliches Muh! reissen mich aus meinen Träumereien. Grosse Aufregung. Kuh-Alarm auch hier. Die Serviererin ruft die Chefin. Die Chefin stürzt mit Kind auf dem Arm und Stock in der andern Hand aus dem Restaurant, über die Gartenterrasse und den darum herum führenden Weg in Richtung Whiskyfass-Baumhütte, wo wieder – ob es die immergleiche ist, weiss ich nicht – eine Kuh versucht, zwischen all den Wandernden hindurch, in die Gartenbeiz zu gelangen. Zwei ihrer Wiederkäuer-Freundinnen warten zudem bei der Garage, möglicherweise um sich bei erfolgreichem Vorpreschen hinterherzustürzen. Was sie dann in der Beiz wollen würden, ist noch nicht geklärt. Das harmonische Zusammenleben dieser wach und zufrieden wirkenden Kühe mit den Menschen scheint regelmässig mit solchen kleinen Aufregern gewürzt zu sein. Zur Bezahlung bestelle ich meine Trophäe.

Kuh im Porzellanladen: Immer wieder herrscht etwas Aufregung, weil eine Kuh in die Gartenbeiz will. Hier beim Gasthaus Forelle, dasselbe geschah auch im Berggasthaus Seealpsee.

Auf gasthausforelle.ch gibts noch einige Wandervorschriften auf den Weg, die weit resoluter klingen als meine sanften, aber ernst gemeinten Hinweise auf Wanderwegsignete und turnschuhfreies Schuhwerk:

Die 9 Regeln zum Bergwandern

  1. Planen Sie jede Bergwanderung sorgfältig!
    Gehzeit, Gefahrenstellen, Einschätzung der eigenen Kräfte und die der Begleiter, Wetterbericht,…
  2. Achten Sie auf eine geeignete und vollständige Ausrüstung!
    geeignete Schuhe, Sonnenschutz, Regenschutz, warme Kleidung, Handy, Verbandszeug,…
  3. Gehen Sie nie alleine auf eine Bergwanderung!
  4. Bleiben Sie auf den markierten Wegen!
  5. Informieren Sie Angehörige, Bekannte oder das Forellen-Team über Ihre Tour.
    Melden Sie sich bei der Ankunft zurück.
  6. Nehmen Sie genügend Verpflegung mit und trinken Sie ausgiebig, möglichst kein Alkohol!
  7. Beobachten Sie ständig die Wetterentwicklung!
  8. Wenn Sie sich verlaufen haben;
    Kehren Sie zum letzten bekannten Punkt zurück.
  9. Kehren Sie im Zweifel immer um!
    z.B. bei Wetterumbrüchen, Unwohlsein,…
Hinter dem Whisky Edition Forelle: der scharfe Zacken der Rossmad.
Das Tier und seine Menschen: Die Kühe scheinen die Kommunikation mit den menschlichen Wandervögeln zu geniessen.

Starker Abgang – und ziemlich fadegrad!

Der Himmel auf Erden sieht so aus. Im Hintergrund die Rossmad und noch weiter hinten der Säntis.

Unüberlegt wähle ich quasi die Hauptwanderstrasse, um back to Wasserauen zu tschumpeln, wo die letzte Whiskytrophäe auf mich wartet. Es hätte einen interessanteren Weg gegeben. Ich Halbschueh aber folge dem Mainstream wie die Fliegen den frischen Kuhfladen. Und verfluche einigemale diesen teilweise fadengrad in die Tiefe führenden Highway to hell. Die aufwärts Strebenden schwitzen und keuchen, während ich stöhne und ächze unds mir seitlich der Knie zupft. Aber ebe: Runter gehts immer, also Gring abe u seckle. Oder eben tschumpeln. Aber unterwegs gibts doch noch einige bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten.

Immer noch sind die Wege zum Kreuzbandzerreissen steil. Aber da muss ich wohl oder übel durch.

So wundere ich mich über eine neugierige Kuh neben einer Hütte am waldigen Abhang. Sie lugt um die Ecke auf einige Geschöpfe, von denen ich vermute, es seien Ziegen. Aber irgendwie verhalten sie sich nicht wie Ziegen und als sie sich dünne machen, erkenne ich erstaunt: Hola, es sind Gemsen, drei ausgewachsene, zwei junge. Und schon verschwinden sie am obern Ende der Lichtung in den Bäumen.

Diese Gruppe Gemsen wagt sich weit hinunter. Haben ja mit steil auch kein Problem, gell.

Danach entdecke ich auf meiner Alpstein-Safari in den Bäumen ein eher unerwartetes Vehikel: Ein Appenzeller Bier-Lieferwagen an der Talstation einer Transportseilbahn. Die erquickende Rettung aller verdurstenden Wandervögel!

Was wäre das Paradies ohne kühles, quöllfrisches Appenzeller Bier!

Der Nichtsigner & der Echtsigner

Es folgt ein Appenzellerland-Sitzbänkli unter einer von Riesen Felsbrockenmauer, das ich aus dem Bauch sofort einem Roman Signer zuschreibe. Ein vom Himmel gefallener Brocken hat nämlich die Sitzfläche eingedonnert, auf der zufälligerweise niemand gesessen hat. Bei genauerem Hinsehen verblasst die Signer-Zuschreibung und macht der Erkenntnis Platz: Fällt Gott ein Stein vom Herzen, kann es dich auch jederzeit und unvermittelt in der grössten Idylle erwischen, wenn du zur falschen Zeit am richtigen Ort sitzt. Aber keine Angst, der Signerstreich kommt sogleich.

Nein, kein Kunstwerk des Appenzeller Künstlers Roman Signer, aber Ohalätz!

Zuerst dachte ich, es sei ein knütschroter Verteilerkasten des Elektrizitätswerks Appenzell. Mol öppis anders. Aber das schwarze Rechteck in der oberen Hälfte, um das herum sich Kalkablagerungen gebildet haben, war dann doch zu deckellos. Und das Täfeli daneben liess auf Kunst schliessen. Aber auf einen Signer wär ich trotzdem noch nicht gekommen. Nun, die Skulptur heisst Kraftwerk und der Urheber Roman Signer. Wer den Kopf ins Rechteck hält, bekommt eine schon etwas unregelmässige, feinsprinklige, nasskühle Gesichtsdusche – shit, die Brille schon voll angepisst!

Doch, doch, kein Verteilerkasten, aber ein echter Roman Signer: Die 2014 eingeweihte Erfrischungs- und Energietankstelle «Kraftwerk». Ein Quöllfrisch-Biertrinkbrunnen wär auch mal was, aber bitte nicht alkoholfrei.

Wie damals der Elektromonteur auf dem Bau, der mir als ahnungsloser Seminarist und Ferienhilfsarbeiter zeigen wollte, wie ein Closomat funktioniert und voll einen Strahl ins Gesicht bekam. Kein Wunder, haben die Verantwortlichen zehn Jahre gebraucht, um den Mut für diesen 2014 eingeweihten Signer aufzubringen! – Ah, man soll nur die Hand hineinhalten… säg doch da grad! Es fitze ein bisschen, sage der Künstler. Gfitzt hät nütz, im Fall, aber d Brille muesi butze.

Das Rot sei nicht knütsch-, sondern sei karminrot, korrigiert mich später saiten.ch. Und dann ist der Kasten doch plötzlich wieder feuerrot, logo, hat ja mit Feuerwehr zu tun: Das kleine Kraftwerk neben dem grossen Kraftwerk, das sich nun die Feuerschaugemeinde Appenzell geleistet hat, ist eine prägnante Wegmarke, ein Ausrufezeichen in der Landschaft. In der Nacht ist der Kubus im Innern schwach beleuchtet. Die feuerrote Installation passt zur Auftraggeberin, deren Geschichte aufs 16. Jahrhundert zurückgeht. Zu den Aufgaben dieser speziellen Gemeinde, die Appenzell mitsamt den Aussenquartieren umfasst, gehörte ursprünglich die Brandwacht und die Brandbekämpfung. Heute ist sie auch für die Wasser- und Energieversorgung und die Bau- und Feuerpolizei zuständig. – Feuerschaugemeinde klingt auch ein bisschen nach Community von Feuerwehrleuten, die Feuer legen, um es danach selber löschen zu können. Oder?

Der Künstler spricht, die Trommeln schweigen: Roman Signer bei der Einweihung seiner Skulptur «Kraftwerk». Bild: Bernhard Ehrminger@saiten.ch

Hier der Originalwortlaut auf der Tafel zur Skulptur:

Die Höhendifferenz kostet Energie, wenn man sie wandern überwinden will. Und sie schenkt Energie, indem Wasser aus dem Seealpsee über eine 2,2 km lange unterirdische Druckleitung die Turbinen im Kraftwerk Wasserauen antreibt. Die Höhendifferenz zwischen dem Kraftwerk und dem Bergsee, die seit 1905 für die Stromproduktion genutzt wird, erfährt auch, wer die Hand in den Wasserstrahl im Innern von Roman Signers Skulptur hält. Dies ist gefahrlos möglich.

Der rote Kubus ist das künstlerische Gegenüber des Kraftwerks Wasserauen, mit diesem verbunden durch eine Art Nabelschnur, eine Druckleitung en miniature, die einen winzigen Teil des genutzten Wassers und der ihm innewohnenden Kraft abzweigt.

Sichtbar wird hier, was ein steter Wasserstrahl vermag. Im Lauf der Monate und Jahre entsteht in der Sandsteinplatte eine Vertiefung schliesslich ein Loch. Dann ist es Zeit, die Steinplatte im Innern dieser Zeit- und Kraftskulptur auszuwechseln.

Der hier wirksame Wasserdruck von 24 bar entspricht der Wassersäule von 240 Metern. Er schafft in der Skulptur ein anhaltendes Ereignis. Es entsteht permanent ein leises Geräusch und es findet eine Veränderung statt, die nur feststellt, wer das Objekt über einen langen Zeitraum beobachtet.

Die Wandernden auf dem Weg zum Seealpsee gehen zwischen dem ‚grossen‘ und dem ‚kleinen‘ Kraftwerk hindurch und passieren einen Ort, welcher der stetigen Veränderung gewidmet ist.

ROMAN SIGNER / KRAFTWERK / 2014 /

Ich fülle am Trinkwasserbrunnen noch meine Wasserflasche auf. Und weiter gehts!

Draussen im Schilderwald: Ordung muss sein!

Gasthaus Alpenrose, Wasserauen: Edition ALPENROSE. Säntis Malt. Bierfass-Reifung.

Bild: © appenzell.ch

Endlich flach! Endlich Bahnhof! Endlich meine letzte Station: Gasthaus Alpenrose neben dem Bahnhof Wasserauen! Ich vergesse gar ein Föteli der Alpenrose zu machen, vor lauter Parkplatz, Gleitschirmen, Whiskykauf und Erleichterung, dass der Dauerabstieg ein Ende hat. Freundlicherweise schickt mir Appenzell Tourismus auf Anfrage eins zu.

Blickt man in Wasserauen bei diesem Wetter in den Himmel, hat man viele bunte Flecken im Visier.

Eigentlich wärs ja jetzt wieder Zeit für ein erholsam-erfrischendes Bierchen, aber ich habe noch mindestens zwei Stunden und drei Minuten Zugfahrt vor mir und verschiebe das Quöllfrisch auf danach im el Lokal. Obwohl verboten, warte ich auf der Treppe zum Bahnschalter auf mein Bähnli, nicht gen Italien, sondern gen Zurigo.

Der Wagen vor dem Fenster des modernen Zugs bringt mich nicht weiter, beweist aber: früher gab es Raucherabteile. Das waren noch miefige Zeiten!

Die Appenzeller Whiskytrek-Ausbeute: Vier auf einen Streich

Und zum Schluss auf dem rechten Weg mit Johann Gottfried Ebel:

21 .

Ist das der rechte Weg?, fragte ein Reuter [Reiter]. «Nein, ihr seid ganz irre», antwortete der Appenzeller. So muss ich also wieder zurück? «Das nicht, ihr dürft nur das Pferd umdrehen , und dann wieder vorwärts reiten.»

Johann Gottfried Ebel: Appenzeller Einfälle. Erste Sammlung. 1829.

Jetz aber nix wie los:

Mehr Infos: saentismalt.com

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