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Ein herzliches Dankeschön an den Aludosen Man!

Quöllfrisch unterwegs in Burgdorf im Emmental

Getränkedosen aus Aluminium sind heutzutage – auch mit Quöllfrisch – omnipräsent. Das Leichtmetall braucht bei der Herstellung sehr viel Energie, ist es aber einmal in der Welt, lässt es sich mit geringem Aufwand und Qualitätsverlust endlos recyceln. Der Aludosen Man Hansruedi Herrmann wird dieses Jahr mit seinem ausgefallenen Hobby 26 Tonnen Aludosen vor der Kehrrichtverbrennung gerettet haben.

Zürich, Mittwoch, 7. Mai 2023, später Nachmittag, bis Donnerstag, 8. Mai in Burgdorf. Natürlich bin ich mal wieder gespannt wie ein Geigenbogen, womit die Halle des HB Zürich heute wohl möbliert ist. Denn leer ist sie wirklich selten. Und siehe, das hat mir grad noch gefehlt in der Wurmbüx: Das «Zürich Vegan-Festival» lockt mit «Free Entry». Gratis ist heutzutage immer verdächtig, gell.

Und siehe, Doppelwumms! Am ersten Stand schwebt der brewbee-Ikarus mit seiner güldnen Hopfendolde auf weissem Zeltdach! Hm. Und natürlich fährt der Zug ab, weil ich noch den Stand fötele. Ich sehe auf dem Gleis grad noch seine Hinterschnauze kleiner werden. Me nämeds wies chunt. Aber eigentlich hätte ich noch ein paar brewbee-Tschipps holen können. Naja, ein ander Mal. Don’t look back.

Heute prägt ein ungewöhnliches Timing meinen Tag – und die Nacht bis zum Zwitschern der Vögel am nächsten Morgen: Im Hotel Berchtold in Burgdorf habe ich ein Zimmer reserviert, wo ich mich mal einquartiere. Nachts um zwei Uhr treffe ich dann am nahen Bahnhof Hansruedi Herrmann, der sich nach der Geisterstunde in den Aludosen Man verwandelt, einen Superhelden der Freiwilligenarbeit und des Aludosen-Recyclings. Ich werde ihn auf seiner rund zweieinhalbstündigen Aludosen-Sammeltour begleiten.

Kleine Warte-Meditation zu Nacht & Licht

Das Leben ist ein Wunder, denke ich immer wieder. Der ach so faustisch gewiefte Mensch ahmt immer nur nach, kann nur analysieren und neu zusammensetzen, was schon da war. Wie das Kind einen alten Zahnradwecker. Oder einen VW, dessen Teile bekanntlich noch lange kein funktionierendes Fahrzeug ergeben. Aber der gottgleiche Tausendundeinssassa kann sich selbst wie die gesamte Schöpfung niemals selber kreieren.

Da steh‘ ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!
Heisse Magister, heisse Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr‘
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Dafür ist mir auch alle Freud‘ entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.

Faust I, J. W. Goethe
Der Ausblick ist weniger romantisch als der Sonnenuntergangshimmel: Zimmer im bahnhofsnahen Hotel Berchtold, Burgdorf.

Egal, wieviel wir zu wissen meinen, es bleibt ein Wunder, dass aus einem spezifischen Samen auf spezifischem Boden unter spezifischen Bedingungen eine spezifischen Pflanze wächst und aus einem andern eine völlig andere. Die schier endlose Vielfalt der auch der winzigsten Erscheinungen und Wesen im Versuchslabor Erde bleibt im tiefsten Kern ein ein niemals lüftbares Geheimnis. Da können wir husten und prusten und unser Haus zusammenprusten, solange es geht. Der Natur ist wurscht, dass wir uns die selbstgezimmerte Krone der Schöpfung aufsetzen und uns die Erde (und anderes) untertan machen, sie lässt auf Dauer nur Kooperation zu. Weder Gentechnik noch Künstliche Intelligenz werden daran jemals etwas ändern. Die Rechnung ist eigentlich gar nicht so schwer. Wir sollten weniger am Ast sägen, auf dem wir sitzen. Der bricht vielleicht auch ohne weiteres Zutun. Wir wollens nicht HOFFEN. Aber HOFFEN wollen wir.

Im «Spiegel» lese ich die sehr unromantische Nachricht, dass die nächtliche Lichtverschmutzung das Leuchten der Glühwürmchenweibchen überstrahlt, wodurch es den Männchen schwer fällt, sie zu finden. Deshalb seien weltweit die Glühwürmchen-Populationen bedroht, wie ein britisches Forschungsteam im Fachblatt «Journal of Experimental Biology» warnt. Oha. Der Gedanke an den im Lauf des aktuell sechsten, menschgemachten Grossen Artensterbens möglicherweise ebenfalls erlöschenden Zauber des dann wohl nur noch im Metaversum virtuell zu erlebenden Glühwürmchenwesens erinnert mich an meinen Quöllfrisch unterwegs-Besuch auf Schloss Burgdorf und dessen faszinierendes Wunderkammer-Museums. (Hier gehts zum Quöllfrisch unterwegs-Beitrag «Schlossbier-Trek, Minnesang IV: Wunderkammer Schloss Burgdorf»). Wir scheinen den blauen Planeten an allen Ecken und Enden rasant in ein allgemeines UNESCO-Weltkulturnaturerbe-Ballenberg-Openair-Museum zu verwandeln. Ob das Drumrum dann noch bestehen kann zwischen lauter geschützten Erbschätzen?

Ein bisschen Rest-Venedig: Der Mülibach hat nicht viel Bewegungsfreiheit.

Als ich aus dem Hotel trette, höre ich nur einen Bach rauschen. Ich entdecke ihn hinter der Tafel mit seinem Namen in einem betonierten Menschenrechteck gefangen: Es ist der Mülibach. Wie ein schwarzer Swimmingpool. Ob es wohl in Schweizer Dörfern und Städten überhaupt noch irgendeinen Bach gibt, den der Mensch nicht nach seinem Gusto begradigt oder sonstwie baulich domestiziert hat? Der hier sieht jedenfalls arg gebeutelt aus in seinem fadengraden Bett. Ich wünsche ihm im Stillen eine sündhaft teure Renaturierung, damit er uns Menschen dann wieder als Naherholungsgebiet mit «unberührter Natur» und Artenreichtum erfreuen darf. Denn ein Dilemma der menschlichen Umweltpolitik ist ja das Korrigieren der Korrekturen, die niemals einen früheren Zustand wieder herzustellen vermögen.

Auch dieses Jahr prognostiziert die Europäische Umweltagentur laut NZZ vom 20. Juni 2023 wieder Dürren und Waldbrände aufgrund des gravierenden Wassermangels, der mehr und mehr auch das Wasserschloss Schweiz erfasst: In der Schweiz kann man sich über die Plattform drought.ch über die aktuelle Lage zur Trockenheit informieren. Sie konstatiert ein verbreitetes Niederschlags-, Abfluss- und Bodenfeuchtedefizit sowie Trockenheit im Wald und unterdurchschnittliche Seewasserstände, besonders im Mittelland und Jura. Durch die Regenarmut droht in einigen europäischen Gemeinden bereits das Trinkwasser auszugehen, auch in der Schweiz. Diese steuere bezüglich vorausschauendem Wassermanagment im Blindflug.

DIT SUISSE, sagt die abgewickelte Bank nur noch.

Mir fällt noch der defekte Schriftzug der sang- und klanglos quasi aus heiterer Nacht von der UBS geschluckten Credit Suisse auf, für die ich ein paar Jahre geschrieben habe: Es leuchtet nur gerasde «DIT SUISSE» – SAG SCHWEIZ! Hätten sie wohl früher merken sollen, die Globaltraumtänzer. Vielleicht ist das Nichtleuchten der ersten drei Buchstaben ja nur eine der handelsüblichen Placebo-Tröpfchenmassnahmen gegen die erwähnte Lichtverschmutzung, die Klimaerwärmung und die Energieverschwendung. Dass die Schrift überhaupt leuchtet, wird Hansruedi Herrmann später bestreiten; vermutlich hat er das gar nie gesehen, weil sie um 2 Uhr ausgeschaltet wird – vielleicht um das Liebesleben der Leuchtwürmchen nicht zu stören, wer weiss.

Auf einer Bank beim Bus-Terminal neben dem fast leeren Parkplatz warte ich so um 1.40 Uhr auf den Aludosen Man und geniesse die Stille. Es war ein veritabler Sommertag, aber die Bise hat sich gewandelt: Von einem angenehm lauen Lüftchen zum kühlen, in launigen Böen aufbrausenden Nachtwind. Zum Glück habe ich die Jacke mitgenommen. Neonröhren surren. Irgendwo telefoniert jemand und steigt später in ein gerufenes Taxi. Eine Frau deponiert etwas im einzigen Auto auf dem Parkplatz und wird wieder verschluckt von der nächtlichen Haustür.

Warten. Das halbe Leben sei Warten und ich sei ein Sternligucker, rief mir mal ein Bürolist in einer Bude hinterher. In Weinfelden, Thurgau, war das. Beim Thurnheer, wo ich für ein paar Monate Gussformen baute, zehntelsmillimetergenau schliff, Zinn schweisste und Vieles mehr. Ich wollte weg aus dem Thurgau, der mir nur Probleme in den Weg gelegt hatte, als wollte er mich loswerden. Weiter Himmel, enge Stirn. Der Chef dieser Bude aber wollte mich unbedingt behalten und fragte mich, wieviel ich denn verdienen wollte. Ich wollte weg und ging weg. Weg aus Mostindien. Nun sitz ich hier in der fast menschenleeren Bisennacht in Burgdorf. Blätter rascheln wie im Herbst. Manchmal klickt irgendein einsamer Automat vor sich hin.

Lass dich auf die Nacht ein und lerne zu sehen wie eine Katze. Sie springt mutig vor dem Aludosen Man durch.

Irgendwo habe ich gelesen, was ich auch ohne Lesen schon weiss: Wenn man bewusst in die Dunkelheit eintrete, sich auf sie einlasse, lerne man zu sehen wie eine Katze und die Nacht offenbare einem nach und nach ihre Schätze, die Nacht werde zum vertrauten Urgrund von Verwandlung, Inspiration, Wachsen und Heilen, zu dem wir immer wieder dankbar zurückkehrten. Ich glaube, das trifft auf unseren Aludosen Man und sein nächtliches Hobby genau zu. Er kennt nicht nur jeden verborgenen Winkel auf seiner Tour, jeden Abfallkübel, wo regelmässig Büchsen zu finden sind, er weiss auch noch, wo Sitzbänke entfernt oder neu gebaut wurden, wo er welche Tiere angetroffen hat und Vieles mehr, das ihm auf seinen nächtlichen Gängen offenbart wurde.

Hier kommt der Aludosen Man!

Der Aludosen Man ist auf seiner nächtlichen Tour nur für jene zu sehen, die zwischen zwei und vier Uhr in Burgdorf unterwegs sind. Meist absolviert der Aludosen Man dieselbe Tour abwickelt: Bahnhof und Umgebung, von Perron zu Perron, rund 40 Abfallkübel, um das Einkaufszentrum herum und zur Schützenmattwiese. Man kann ihn aber auch anrufen, damit er Dosen zu einer bestimmten Zeit abholt, wie es auf seinem Rücken steht: 079 107 93 88.

Hier kommt er, der Aludosen Man Hansruedi Herrmann.

Als ich den 56-Jährigen in seiner orangen Leuchtmontur von meiner Bank aus entdecke, hat er bereits einen halben Sack voll Büchsen gesammelt. Friedlich dösen die Dosen im transparenten, reissfesten Alu-Sammelsack nebeneinander: Bierbüchsen aller Marken, Farben und Grössen, natürlich auch Quöllfrisch-Dosen, nichtalkohlische Zuckersprudelwasser, Energydrinks. Verbeulte, zusammengedrückte Überbleibsel unserer schillernden Konsumkultur, die oft die Kehrseite ihres Tuns unter den Teppich kehrt, wo es auf der andern Seite wieder hervorkriecht. Wie wir als Kinder nach dem ultimativen Aufräumbefehl den gesamten Spielzeugkasumpel einfach unters Bett verfrachteten. Aus den Augen, aus dem Sinn, was man nicht sieht, ist nicht da. Aber verschoben ist nicht aufgehoben. Der Aludosen Man unternimmt aktiv etwas gegen die Verschwendung des unendlich recycelbaren Rohstoffs Aluminium.

Als ich ihn entdecke, hat er schon einen halben Sack voll Aludosen gesammelt. Friedlich dösen die unterschiedlichsten Dosen nebeneinander.

Nach kurzer Begrüssung macht er unbeirrt weiter. Es zieht ihn richtiggehend vorwärts, von Kübel zu Kübel, von Perron zu Perron. Er kennt seinen Rhythmus, geht um 20 Uhr zu Bett, schläft rund fünfeinhalb Stunden, wacht ohne Wecker um 1.30 Uhr auf und fährt zum Bahnhof. Er will ja möglichst viel Aluminium zusammenkriegen, bevor er so um 4.30 Uhr nach Hause fährt, um etwas zu essen und die Rapporte des vergangenen Werktages zu schreiben. Als ich ihn frage, wann er denn zur Arbeit müsse, korrigiert er mich: Er dürfe um 7 Uhr arbeiten und freue sich jeden Tag darauf. Er ist Gruppenleiter im Tiefbau, verlegt Leitungen für Gas- und Fernwärmenetze. Früher sei er jede Nacht unterwegs gewesen, nun gehe er nur noch, wenn es nicht zu kalt ist. Heute, mit dem leichten Wind, seien es ideale Bedingungen.

Ein ungewöhnliches Hobby, der Blutmond über dem Schloss & ein Abstecher in ein Fünfsternhotel mit vier Sternen

Ja, er habe schon viele Geschichten erlebt auf seiner Runde. Hätte er alles aufgeschrieben, könnte er ein Buch schreiben, murmelt Hansruedi Herrmann mal in seinen Bart, ein dickes Buch.

Im speziellen Tages- bzw. Nachtablauf liegt wohl auch ein Teil der Faszination für sein ungewöhnliches Hobby. Er bewegt sich in der Stille der Nacht in einer Art Parallelwelt, bevor der hektisch-laute Tag hereinbricht. Irgendwann beginnt der frühe Vogel zu zwitschern, in unserem Fall ein Amselmännchen, das seinen fröhlich-virtuosen Minnesang in die kühle Morgenluft hinaus schmettert. Wie ich dann später auf dem Heimweg feststelle, begegnet man der alltäglichen Welt nach so einer Aludosennacht mit einem ganz eigenen Blick. Es kommt einem irgendwie vor, als bewege man sich in einem speziellen Film, der sich mit einem völlig anderen Film vermischt. Ob es Hansruedi Herrmann auch so geht, beim Tageswerk?

Handschuhe, Taschenlampe, wetterfeste Kleidung mit Leuchstreifen.

Er kann die regelmässigen von den ausserordentlichen Güterzügen unterscheiden. Weiss, wann sie kommen sollten und wann nicht. Der um Viertel vor Drei hatte etwas Verspätung. Einmal habe er einen Schwellenbrand entdeckt, der einen Riesenrauch entwickelte. Am Montag, das hättest du sehen sollen, sei der blutrote Vollmond mit einer schwarzen Wolke im Antlitz wunderschön über dem Schloss gehangen. Ein wunderbares Bild. Fehlten nur noch die Fledermäuse und Vampire. Manchmal stösst er auf einen Betrunkenen, wenn es ihm soweit gut geht, lässt er ihn seinen Rausch ausschlafen. Und immer wieder findet er Liegengebliebenes wie Handys und so weiter. Letzthin fand er wieder einmal ein Portemonnaie, dann sagen sie auf dem Polizeiposten jeweils: «Der grosse Finder kommt.» Die heutige Nacht bleibt praktisch frei von Begegnungen.

Während der Aludosen Man in urigem Berndeutsch seine Geschichten erzählt, macht er unbeirrbar fürschi mit dem «Dösele». Ich immer hinterher. Routiniert zügig zieht er von Kübel zu Kübel. Mit dem Vierkantschlüssel aufmachen und die Rosinen in Form von mehr oder weniger zerdrückten Aludosen herauszupicken. Er trägt graue Arbeitshandschuhe und leuchtet die Jagdgründe mit einer Taschenlampe aus, die er manchmal zwischen die Finger klemmt, während er zwischen den andern Finger schon einige Dosen fächerähnlich umfängt. «Wertstoffe» heisst es ja mittlerweile auch bei den Sammelstellen. Der frühere «Abfall» wird heute «Wertstoff» genannt. Wahrlich, die Zeiten ändern sich; und trotzdem produzieren wir immer noch Riesenberge von Abfall.

Ich verstehe nicht alles, was Ruedi Herrmann sagt. Es ist nicht nur der Berner Dialekt, dessen Worte ich nicht immer sofort entschlüsseln kann, sondern auch das Geraschel und Geklappere der Dosen bzw. der Kübel. Vielleicht kommt von da der Ausdruck «es chüblet». Zudem spricht er ja oft in den Sack hinein. Vieles trägt der Wind mit sich fort. Anderes verpasse ich, weil mein Neandertaler-Gehirn immer noch versucht, einen längst verklungenen Emmentaler Satzteil zu entziffern.

«Aluminium ist einfach ein geniales Material. Und wir schmeissen es achtlos weg.»

Eigentlich ist der Aludosen Man ja immer allein unterwegs. Er weiss noch das genaue Datum des ersten Mals: Es war der 16. Juni 2011. Seither ist es zu seinem Hobby geworden; wie das mittelalterliche Langbogenschiessen, für das er soeben aus Holz eine Schiessanlage für 4 Scheiben gezimmert hat: 26 m lang, 8m breit, 3 m hoch. Leider vergass er, mir das Foto davon zu zeigen. Der kürzlich gegründete Verein wurde nach der Ruine Brandis in Lützelflüh «Langbogenschützen zu Brandis» genannt und habe schon 20 bis 25 Mitglieder. Baulich ist von der namensgebenden Ruine auf dem Familien-Picknick-Platz allerdings nicht mehr viel übrig; sie brannte während des Franzoseneinfalls 1798 bis auf die Grundmauern nieder.

Nein, wegen dem Geld muss man das nicht machen. Aber er findet Aluminium sei einfach ein geniales Material mit einem niedrigen Schmelzpunkt von rund 700 Grad. Und ist es einmal in der Welt, kann es unendlich oft recycelt werden. «Und wir schmeissen es einfach weg und verbrennen es in der Kehrrichtverbrennung.» Das sei doch dumm.

Alle zwei Wochen liefere er zwischen 80 und 120 Kilo bei der Sammelstelle «brings» in Kirchberg BE ab. Er bekommt zur Zeit 1.30 Franken pro Kilo, was im Jahr so um die dreitausend Franken einbringt. Eine Art 14. Monatslohn, sagt er. Ein willkommenes Sackgeld. Dieses Jahr wird er die 26 Tonnen-Marke knacken. Soviel Aluminum hat er in den vergangenen 12 Jahren gesammelt. 2022 war ein Rekordjahr, 2023 liegt er schon um 400 Kilogramm zurück; wahrscheinlich wegen des kaltfeuchten Wetters zu Beginn.

Dass er ohne die Mehrwertsteuernummer seines Geschäfts nicht Alu sammeln könnte, verstehe, wer wolle. Schweizer Bürokratie-Unsinn. Ohne gehe nichts. Warum das so ist, könne ihm niemand wirklich erklären. Fleissige Sammler nehmen auch an der IGORA-Jahresverlosung teil, bei der er schon einmal gewonnen hat. Die IGORA-Genossenschaft koordiniert das Alu-Recycling in der Schweiz. Die Rücklaufquote bei Aluminium-Getränkedosen beläuft sich in der Schweiz – auch dank Menschen wie Hansruedi Herrmann – auf über 90 Prozent. Das ist beachtlich und mit ein Grund, weshalb sich ein Dosenpfand hierzulande erübrige.

Das Fazit von Swiss Recycling bezüglich Pflichtpfand auf Aludosen – wie beispielsweise in Deutschland – sei hier wiedergegeben:

Das Pfand ist keine Lösung für die Schweiz. Swiss Recycling kommt zum Schluss, dass die Argumentation der Pfandbefürworter aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht standhält. Für Länder ohne funktionierende Rücknahmesysteme kann das Pfand ein geeignetes Instrument sein, um die Sammlung zu fördern. Für die Schweiz mit ihren hochentwickelten Recyclingsystemen ist das Pfand hingegen kein geeignetes Instrument, um das Littering oder den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Aufgrund der teuren und wartungsintensiven Pfandautomaten würden die Kosten für die Rücknahme von Getränkeverpackungen massiv steigen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Recycling der Getränkeverpackungen würde im Gegenzug sinken.

Der Aludosen Man hält mir zwei Dosen vor die Nase und sagt: «Das Herstellen dieser beiden Dosen braucht soviel Energie wie das zweimonatige Heizen eines Einfamilienhauses. Aber sind sie mal da, kann man sie endlos mit wenig Energieaufwand recyceln. Das ist doch genial.»

Aber wie ist das nun eigentlich mit dem Aluminium?

Das Bundesamt für Umwelt BAFU schreibt: Aluminiumverpackungen sind gefragt. Seit dem Jahr 2000 hat sich die in Umlauf gebrauchte Menge mehr als vervierfacht, ein Trend der weiter anhält. Sei es als Schale, Dose, Tube oder Folie: Das weiche und leichte Metall leistet gute Dienste als licht-, luft- und geruchsdichte Verpackung von festen und flüssigen Nahrungsmitteln. Eine weitere wichtige Eigenschaft des silbrig glänzenden Metalls: Es kann ohne Qualitätseinbusse unendlich oft rezykliert werden. Ökologische Beurteilung: Die Gewinnung von Aluminium aus dem Rohstoff Bauxit ist sehr energieaufwendig. Wenn neues Aluminium durch rezykliertes ersetzt wird, können bis zu 95 % Energie eingespart werden. Insbesondere aus energetischer Sicht und der Ressourcenschonung sind deshalb Separatsammlung und Verwertung von Aluminiumverpackungen aus Haushalten sinnvoll. Dass der Abbau von Bauxit giftigen Rotschlamm generiert, bleibt unerwähnt. Aber davon später.

Guguselen wir das Leichtmetall mal weiter auf Wikipedia, was mir die Elemente-Tabelle aus dem längst vergessenen Chemie-Unterricht in Erinnerung ruft: Aluminium ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol Al und der Ordnungszahl 13. In der Erdhülle sei es das dritthäufigste (nach Sauerstoff und Silicium) und damit das häufigste Metall, allerdings meist in chemischen Verbindungen vorkommend. Der industrielle Aluminium-Bergbau lohnt sich nur beim erwähnten Aluminiumerz Bauxit, das seinen Namen dem ersten Fundort Les-Baux-de-Provence verdankt  in Südfrankreich verdankt, wo Pierre Berthier es 1821 von entdeckt hat.

Für eine Tonne Aluminium braucht es etwa vier Tonnen getrocknetes Bauxit. Bauxit gewinnt man heute vor allem in Australien (Fördermenge 2022: 100 Mio. Tonnen), China und in Brasilien; 95 Prozent des weltweit geförderten Bauxits werden zur Herstellung von Aluminium genutzt. Die grössten Bauxit-Reserven liegen in Guinea, weitere in  Sierra Leone, Ghana, Australien, Vietnam, China, Indien, Kasachstan, Indonesien, Brasilien, Venezuela, Suriname, Guyana und Jamaika.

Die industrielle Verwertung des Leichtmetalls setzte im frühen 20. Jahrhundert ein, wo Stabilität und geringes Gewicht gefragt sind. Wie beispielsweise im Fahr- und Flugzeugbau. Nach Silber, Kupfer und Gold weist Alu die grösste elektrische Leitfähigkeit auf. Auch für die sogenannte erneuerbaren Energien und die Elektromobilität ist Aluminium von entscheidender Bedeutung. Als Verpackungsmal kennen wir es in Form von Alufolie, Getränke- und anderen Dosen, Pfannen und andere Küchenutensilien. Die Liste ist schier endlos. In Spuren kommt Aluminium natürlicherweise auch in fast allen Lebensmitteln vor. Ein richtiger Tausendsassa von einem Metall, also. Sogar in Kosmetika, Impfungen oder in der Wasseraufbereitung wird es verwendet.

Die Kehrseite der Aluminium-Medaille

Wie alles, was der Mensch in den Himmel und darüber hinaus ins Weltall und über den Klee win-win-mässig lobt und verwertet, hat auch diese Medaille eine Kehrseite. Es ist die von Paracelsus angesprochene Dosis, die zwischen Medizin und Gift unterscheidet. Und was die milliardenschwere Menschheit industriell anpackt, wuchert meist in die Kipppunktgefielde und darüber hinaus – aufgrund der schieren Masse. Und natürlich niemals des schnöden Mammons wegen. So häufen sich in den letzten Jahren mit der weiter wachsenden Alumenge auch die Bedenken gegenüber dem Wundermaterial. Recherchiert man tiefer, findet man sich in einem Dschungellabyrinth verwirrendster Widersprüche. Da soll jede:r selber recherchieren und sich eine Meinung bilden. In meinem Haushalt gibts jedenfalls weder Aluminiumpfannen noch Alufolie. Und Büchsenbier kaufe ich auch nur selten.

Ziemlich schnell haben wir beispielsweise auch die schlimmste Umweltkatastrophe Ungarns vergessen, die mit dem giftigen Teil des Bauxit-Tagebaus zu tun hat: 2010 überschwemmte der Kolontár-Dammbruch Dörfer und Felder mit über 700.000 Kubikmetern schwermetall- und chemieverseuchtem Rotschlamm aus der Aluminiumindustrie. Zehn Menschen starben, 200 weitere erlitten Verletzungen, darunter schwere Verätzungen; mehr als 300 Häuser wurden zerstört, 800 Hektar Ackerland und mehrere Gewässer verseucht.

Inzwischen sei das Rotschlammproblem bezüglich Lagerung und Wiederverwertung zwar nicht gelöst, aber deutlich verbessert worden. Heisst es. Allerdings gebe es beispielsweise in Deutschland immer noch Deponien, in denen Rotschlämme aus sechs Jahrzehnten Aluminiumproduktion in unterschiedlichen Zusammensetzungen lagerten. Wetten, dass unsere einst so blaue Erdkugel noch einige solcher Zeitbomben aufweist?

Die Gewinnung von Aluminium ist also nicht nur aufgrund des hohen Energieverbrauchs problematischer als der schöne Schein uns gerne weismacht. Der steigende Bedarf an Aluminium verursacht laut der unabhängigen Schweizer Organisation für Entwicklungszusammenarbeit Helvetas im umweltschädlichen Bauxit-Abbau immer noch hohe soziale Kosten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Ein Problem, das durch Recyceln nicht gelöst werden kann.

Ich wiederhole, was ich immer wieder betone: Das Leben ist kein Hochglanzprospekt. Es steckt voller Ambivalenzen, Absurditäten und Unwägbarkeiten. Umso wichtiger ist es, das in der Welt vorhandene Aluminium der Wiederverwertung zuzuführen und nicht mit dem Müll zu verbrennen. Da tut unser Aluminium Man also das Richtige. – Aber wie kamen Bier und andere Flüssigkeiten eigentlich ins Aluminium?

Die erste Getränkedose der Welt war eine Bierdose

Vor der Prohibition wurde Bier überwiegend am Tresen ausgeschenkt. Schwere Glasflaschen lohnten sich bezüglich Verkauf und Nachfüllen nur in einem 50-Kilometer-Umkreis. Nach Ende der Prohibition stieg mit dem Aufkommen des Haushaltkühlschranks der Bierkonsum in den eigenen vier Wänden frappant an. Bierdosen nach dem Vorbild der vom Briten Peter Durand 1810 patentierten Lebensmittelkonservendosen wären in mehrfacher Hinsicht praktischer, da sie schneller abkühlten, fast die doppelte Menge auf einen Lastwagen und in Kühlschränke passte und sie sich überallhin ohne Rückgabepfand verkaufen liessen.

Der aus Deutschland – angeblich in Holzschuhen – eingewanderte Brauer Gottfried Krueger füllte 1933 in Newark, New Jersey «Krueger’s Special Beer» in 2000 Büchsen aus Weissblech, nachdem er zusammen mit der Dosenfirma «American Can Company» das Problem der geschmacksneutralen Beschichtung gelöst hatte, damit sich Bier und Metall geschmacklich nicht mehr verbanden. Auch musste das neuartige, 100 Gramm wiegende Behältnis den Druck des kohlensäurehaltigen Gerstensafts aushalten.

Bild: beerinfo.com

Die zwei Jahre später, am 24. Januar 1935 (er gilt seither als «Ehrentag der Bierdose»), vorerst in Richmond, Virginia durchgeführte Markteinführung mit «Krueger’s Cream Ale» und «Krueger’s Finest Beer» geriet zum vollen Erfolg. Schon Ende des Jahres waren glatte 200 Millionen Getränkedosen weg wie warme Semmeln. In Grossbritannien boten 1937 bereits 23 Brauerein Dosenbier an. Allerdings war es von den damals oft noch in Flaschenform gehaltenen Weissblechdosen bis zur modernen Aluminiumdose mit patentierter Öffnungslasche noch ein weiter Weg. Bis dahin brauchte man zum Öffnen ein spitzes Stanzwerkzeug in «Kirchturmform» zum Anstechen. 1962 brachte die Brauerei Pittsburghs als erste den Aufreissverschluss («pull-tab»), der aber als separater, scharfkantiger Abfall oft achtlos weggeworfen wurde. 1977 liess der Amerikaner Daniel F. Cudzik von der Reynolds Metals Company den «Stay-On-Tab»-Verschluss, kurz: «stay-tab», patentieren, der sich nicht von der Dose löst.

Die ersten Getränkedosen aus Aluminium kamen 1958 in den Handel. Laut dem Schweizerischen Brauerei-Verband wehrten sich die Brauereien hierzulande, wo 1961 eine Revision des Kartellrechts dazu führte, dass Bier auch in Dosen verkauft wurde, lange gegen Einweggebinde, «da diese nach ihrer Meinung umweltschädlich und finanziell weniger rentabel waren. Im Jahr 1983 machten die Dosen nur 0,5 Prozent der Gebinde aus, legten danach aber richtig zu und kamen bis ins Jahr 2014 auf 33,4 Prozent. Gründe dafür sind unter anderem das leichte Gewicht der Aluminiumdosen, die entgegen geläufiger Meinung gute Ökobilanz, die Rezyklierbarkeit sowie der Lichtschutz, welcher Geschmacksveränderungen beim Bier verhindert.» Ein weiterer Vorteil der Getränkedosen ist natürlich die Unzerbrechlichkeit.

Aktuelle Zahlen des Schweizer Brauerei-Verbands

Laut Brauerei-Verband

  • gelangen etwa 34 % des in unserem Lande getrunkenen Bieres (insgesamt 4’732’148 hl/ 4,73 Mio. hl) in besonders umweltfreundlichen Mehrweggebinden (Fässer und Mehrwegflaschen) zu den Konsumenten. Die 1’230 biersteuerpflichtigen Brauereien (höchste Brauereidichte Europas; biersteuerpflichtig sind kommerzielle Brauereien mit mehr als 400 Litern pro Jahr) haben insgesamt 3’678’188 Hektoliter/ 3,68 Mio. hl Bier produziert.
  • wurde 2022 jedes vierte Bier in der Gastronomie ausgeschenkt.
  • werden etwa 25 % des Bieres in Einwegflaschen und etwa 40 % in Dosen abgesetzt.
  • nahm der Konsum von alkoholfreien Bieren gegenüber des Vorjahres um knapp 20 % zu.

Die NZZ wittert 2022 mit Berufung auf das Bundesamt für Zoll- und Grenzsicherheit (BAZG) ein Ende des grossen Brauerei-Booms der letzten Jahre, da die Zahl der Brauereien auf 1179 geschrumpft sei (was immer noch grösste Brauereidichte Europas bedeutet). Grund seien vor allem die durch den Ukrainekrieg gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise, aber auch die vielen Bier-Spezialitäten wie Craft-Biere. Auf eine Million Einwohner:innen kämen in der Schweiz 134 Brauereien, während Tschechien und die Niederlande auf Platz zwei und drei mit nur rund 50 Brauereien auf 1 Million Einwohner:innen aufwarten können, wobei die Zahlen aufgrund unterschiedlicher Erhebungen nur bedingt vergleichbar seien. Zudem sei die Regionalität des Bieres kaum in Gefahr: Seit einigen Jahren werde in der Schweiz wieder vermehrt Braugerste angebaut (beispielsweise von Gran Alpin, die mit der Braugerstensorte Alpetta eine besser ans Bündner Berggebiet angepasste Bio-Braugerste züchtet) und sogar vermälzt – ein Handwerk, das hierzulande während Jahrzehnten nicht mehr existierte. Und wir wissen aus quöllfrischen Quellen, dass die Brauerei Locher als Pionierin diesen Trend trotz der höheren Kosten schon seit Jahren massgeblich fördert.

Der Aludosen Man trinkt null-Komma-null Liter Bier

Bier habe er mit 18-20 Jahren getrunken, antwortet Hansruedi Herrmann auf meine Nachfrage. «S erscht und s letscht Mau.» Er sei danach auf dem Heimweg mit dem Velo in einem Bach gelandet und fast «versoffe». Seither lasse er die Finger vom Alkohol. Man werde schnell wach im Bach, fügt er hinzu. Punkt. Und seckelt schon wieder davon zum nächsten Kübel.

Der verbliebene Inhalt mancher Büchseln landet auf dem Geleise.

Hinter ihm auf dem Geleise, wo er manchmal noch halbvolle Dosen ausleert, steht ein Zug der BLS. Er übersetzt die drei Buchstaben mit für seine sonstige Sanftheit rätselhaften Volksmundspruch, der bei ihnen üblich sei: «Bohren-Laden-Sprengen.» Erklären kann er ihn auch nicht weiter. Ich nehme nicht an, dass es Unpünktlichkeit oder Unzuverlässigkeit betrifft. Keine Ahnung. So ist er halt, der Volksmund. Alles andere als woke oder politisch korrekt, wie es in der Steinzeit noch hiess.

Weiter gehts zum nächsten, der rund 40 Kübel auf dem Bahnhof. Danach gehts mit dem Auto weiter zur Schützenwiese, eben da, wo der Blutmond mit schwarzer Wolke im Angesicht über dem Schloss hing. Als Mittelalterfan zeigt er sich auch fasziniert von der historischen Holzbrücke in der Nähe, mit dem zopfartigen Gebälk.

Auf der Schützenwiese finde jeweils die «Solätte» statt, das Schüler-Abschlussfest. Musste ich natürlich später guguselen. burgdorf.ch: «Solätte» ist der umgangssprachliche Ausdruck für «Solennität». Die Burgdorfer Solennität ist der bestbesuchte jährliche Anlass in Burgdorf. Das Fest findet immer am letzten Montag im Monat Juni statt. Im historischen und aktuellen Kern handelt es sich beim Fest um ein Schul- und Kinderfest. Schon seit langer Zeit ist der Anlass aber auch ein allgemeines Volksfest. Das bedeutet natürlich dosenmässig jeweils eine reiche Ernte für den Aludosen Man.

Im Burgdorfer Amtsblatt «Anzeiger» taucht auch wieder ein Burglefer Tägu-ähnliches Wort auf, das ich nach beträchtlicher Decodierungsarbeit als Burgdorfer Tagblatt entzifferte: Der Festumzug am Nachmittag, die Reigen auf der Schützenmatte, Musik vom Gygerläubli und sportliche Wettkämpfe prägten das Festbild. «Solätte, es Fescht wie immer u doch gäng chli angersch», lautete der Grundtenor einiger «Heimwehburdlefer». – Ich habe es also schon in der Munartversion falsch verstanden: Burdlefer Tägu.

Beim Einkaufszentrum hinter der Tankstelle, wo es nicht sehr viel zu holen gab, nehmen wir den Lift. In einem baumbestandenen, erhöht liegenden Park mit Kiesboden, wo immer Boule oder Pétanque oder wie-auch-immer gekügelet wird, begrüsst uns eine schwarze Katze. Mutig springt sie vor dem Aludosen Man durch, der gerade einen weiteren Eimer inspiziert. Es scheint ihr zu gefallen, dass wir hier aufgetaucht sind. Eine Plakat-Ausstellung behandelt die haarsträubende Geschichte von Verdingkindern, die Hansruedi Herrmann natürlich studiert hat. Ein schlimmes Kapitel in der Schweizerischen Sozialgeschichte. Solche Ungerechtigkeit macht ihn nachdenklich.

Wenn nötig, nimmt er sich schon Zeit, trotz seinem zielstrebigen Vorwärtsdrang wirkt er nie gestresst. Von dort oben beobachten wir zwischen den Häusern durch auch den Schwertransport, der ein Fertighaus mit gedeckter Terrasse mit zwei orange blinkenden Lastwagen an ein unbekanntes Ziel transportiert. Deshalb war also der eine Pfosten unten, was dem Experten der Nacht natürlich sofort aufgefallen ist.

Heute gehts zum Schluss noch zum Bahnhof Oberburg. Von da fährt Hansruedi Herrmann mich zurück zum Hotel Berchtold. «Weisst du, wem das gehört?», fragt er mich. Keine Ahnung. Willy Michel, Mehrheitsaktionär des in Burgdorf ansässigen Medizinaltechnik-Unternehmens Ypsomed, der auch das Museum Franz Gertsch betreibe. Als Diabetiker weiss er deren Selbstinjektionssysteme zu schätzen.

Zudem besitzt Michel mit dem Hotel Stadthaus das kleinste Fünfsternhotel der Schweiz, liess aber einen Stern abmontieren, um die Schwellenängste bei der Bevölkerung zu nehmen. Da er bei Anlässen mit Geschäftspartnern immer nach Bern ausweichen musste, habe er zugegriffen, als ihm die Burgergemeinde das historische, mitten im Zähringer Städtchen gelegene, geschichtsträchtige Gebäude «praktisch gratis» angeboten habe. Tatsächlich hat das Haus eine bewegte Vergangenheit:

Das Hotel Stadthaus Burgdorf befindet sich auf reichem historischem Boden: Das alte Rathaus der Stadt Burgdorf, in seiner heutigen Erscheinung gebaut von 1745 bis 1750, steht an der Stelle des alten Gasthofes Zum Weissen Kreuz (erstmals erwähnt 1376) und war Schauplatz verschiedener denkwürdiger Anlässe. … Im Stadthaus Burgdorf wurde Geschichte geschrieben; so haben zum Beispiel die Gebrüder Schnell um 1830 in seinen Räumen die erste demokratische Verfassung des Kantons Bern entworfen, was dem Haus auch den Namen «Rütli des Kantons Bern» einbrachte.

Zum Schluss noch einmal die Nummer des Aludosen Man: 079 107 93 88. Das Bild stammt vom Bahnhof Burgdorf, wie man auch an der Uhr erktennt, ist aber ein schönes Schlussbild.

Als wir um halb fünf Uhr vor dem Hotel Berchtold eintreffen, wartet gerade eine Reisegruppe auf Einlass. Ansonsten bewegt sich im Städtchen immer noch wenig. Ich fläze mich zwei-drei Stunden aufs Bett. Morgenessen. Um 10 Uhr fahre ich zurück nach Zürich. Der Aludosen Man hat da schon wieder drei Stunden als Hansruedi Herrmann gearbeitet. Und siehe: Auf dem Heimweg, den ich vom HB zu Fuss zurücklege, genauer: in der Strehlgasse nach dem Rennweg, wird grad ein echter Film gedreht und man bedeutet mir beim Zuschauen, entweder runter oder rauf zu gehen, jedenfalls aus dem Bild, und zurückzukehren in meinen eigenen Film.

P.S.: Eine Aludosenpresse fürs el Lokal in Züri

Weil immer mehr Menschen mit Billigbierdosen ins legendäre el Lokal in Zürich (hier gehts zum Quöllfrisch unterwegs-Beitrag «So kommt der Vollmond in die Flasche») latschen, was das Team nervt und gegen die Hausregeln verstösst, hat die Brauerei Locher den Metallbauer und Künstler Martin Fischer von der Metallwerkstatt afair beauftragt, einen Mechanismus zu entwickeln, damit die Leute die leeren Büchsen zusammenpressen und automatisch in einem Büchsensarg (hier der Metalleimer) platzsparend entsorgen können. Hier ein Handyfilmli des Prototyps der Aludosenpresse:

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