Quöllfrisch unterwegs in Cumbel GR
Das Braugerstenfeld von Flurin Zinsli in Cumbel, das wir im Mai dieses Jahres noch zum Blindstriegeln besichtigt haben, wird gedroschen. Schon im Juli hat Flurin geschwärmt, das Feld sei sehr schön geworden. Er ist mit der diesjährigen Ernte sehr zufrieden.
Cumbel, 27. August 2019. Um 14.31 Uhr haben wir in Ilanz abgemacht, um dann Quölli auf die Ladebrücke seines Pickups zu hieven und so zu seinem Feld in Cumbel hochzufräsen. Gesagt, getan. Zuvor beeindruckt mich einmal mehr die Fahrt mit der RhB durch die Rheinschlucht zwischen Chur und Ilanz: einfach wunderbar, die Strecke. Von oben herab sieht das Ganze noch spektakulärer aus, wie ich feststellen konnte, als ich mich mit Schaltungsproblemen die Strasse hochstrampelte und die Aussicht nicht geniessen konnte.

Er sei mit seiner Vorbereitung nicht ganz so weit gekommen, wie gewünscht, meint Flurin dann im Pickup. Er drescht im ganzen Val Lumnezia samt Umgegend. Und nicht alle Felder sind frei von Un-, äh, Beikraut und das Reinigen des Dreschers nehme schnell mal vier Stunden in Anspruch. Er wolle ja sein schönes Braugerstenfeld nicht mit drin verbliebenen Meldensamen verunreinigen.

Auf dem Hof am Dorfeingang gabelt Vater Flurin eine Ladung frisches Heu ins Gebläse; Flurin hilft. Dritter Schnitt. Dieses Jahr ist der Heustock schön voll. Nach dem knochentrockenen Sommer 2018 musste man 30 Tonnen Heu dazukaufen – die ganzen Wiesen waren verdorrt. Um den Mähdrescher zum Braugerstenfeld hochzufahren, übernimmt der Vater die Verkehrsregelung bzw. das Vorfahren mit orangem Warnlicht auf dem Pickup. Es läuft alles rund, kaum Verkehr auf der Dorfstrasse in Cumbel.

Zuerst betrachten wir das auf rund 1200 m ü.M. liegende Feld von nah. Die Ähren sind wunderbar reif und neigen sich gegen den Boden. Die Körner knacken beim Reinbeissen. Flurin hat nur die Hälfte der Braugerste gestriegelt, trotzdem ist kein Unterschied auszumachen zwischen bearbeiteter und belassener Seite. Aber eben: Das weiss man vorher nie und nachher ist man schlauer. Der Weizen nebendran ist ebenfalls schon erntereif, so kann Flurin diesen in den nächsten Tagen ebenfalls dreschen und in einer Fahrt zur Getreidesammelstelle bringen. Wo jetzt der Weizen steht, wird er nächstes Jahr Braugerste aussäen.
Vom Grossvater hat Flurin die Regel gelernt, wenn der Piz Terri eine Kappe hat, kommt Regen. Über dem 3149 m hohen Berggipfel gibt es zwar Wolken, aber eine Kappe ist das nicht. Also hält das Wetter die nächste Zeit.

Das ist der Piz Terri, Hausberg des Val Lumnezia:

Immer wieder kontrolliert Flurin die Ladung, damit es möglichst sauber gedrescht ist. Und das auf dem Boden liegen bleibende Stroh, damit nicht zuviele Körner drin hängen bleiben. Wenn an einer Stelle noch ein paar Ähren ungeschoren davongekommen sind, meint er: «Das ist für die Vögel.» Wie früher das Opfer für die Götter. Der Streifen zwischen dem Weizen- und dem Roggenfeld sei denn auch nicht etwa Unkraut, sondern absichtlich ausgesäte Brachwiese zur Pflege der Biodiversität. Es wimmelt nur so von bunten Blumen und Insekten. Auch in der Wiese neben dem Acker hüpfen mit jedem Schritt zig Heugümper aller Grössen in alle Windrichtungen davon.


Einmal losgelassen, zieht der Drescher bis auf die Kontrollzwischenhalte flüssig seine Bahn von aussen nach innen. Das Feld liegt im Grossen und Ganzen ziemlich plan, aber die Maschine gleicht Unebenheiten sowieso automatisch aus. Die Ähren stehen schön dicht, der Mähbalken kann sie tipptopp reinziehen und abschneiden.

Am Ende ist der Getreidespeicher des Dreschers praktisch randvoll gefüllt mit den güldenen Braugerstenkörnern. Sehr sauber sieht die Ladung aus, die mal geschätzt rund 2,5 Tonnen wiege. Das sei sehr gut für eine halbe Hektare.

Eine Faustregel besage – nun boxt Flurin mit der Faus voll in den Haufen rein –, wenn die Faust wie in weiche Butter reingehe, die Gerste über die ideale Feuchtigkeit von unter 14 Prozent habe. Bleibt die Faust an der Oberfläche hängen, ist das Korn zu feucht. Ob wohl das Wort Faustregel vom dieser Art Faustschlag stammt? Denn es ist ja wahrlich eine Faustregel mit Faust. Hier also seht ihr, wie feucht es war:

Es gibt keine unverhergesehenen Zwischenfälle – es verjagt den Drescher nicht, wie letztes Jahr bei Filipp Grass in Zernez – und so rund um 17 Uhr ist der Bio-Bergbraugersten-Jahrgang 2019 von Flurin Zinsli im gedrescht. Es sei nun der dritte, der erfolgreich verlaufen sei, aber der diesjährige sei bisher am besten gelungen. Damit dasselbe für den Weizen gilt, wird er noch einen Ausreissdurchgang machen, um die wenigen Blacken und Melden, die sich bis jetzt halten konnten, noch zu liquidieren. Dann kann er beide Ernten gleichzeitig zur Sammelstelle bringen.



Der Vater ist inzwischen mit dem Traktor auf der Wiese am Heuen. Also muss Flurin den Rückweg zum Hof zu Fuss machen, während ich mit Quölli im Rekuperiermodus downhillen kann. «Ich bin wahrscheinlich vor dir unten», meint er verschmitzt. Ok. Er hatte recht, konnte grad den Hang runter. So genehmigen wir uns auf seinem Balkon ein kühles Gran Alpin. Dann schenkt mir Flurin ein gut verpacktes Stück jungen Alpkäse – mmh, hat gemundet! Herzlichen Dank! – von seinen 14 Kühen, die noch auf der Alp sind. Und schon sause ich auf Quölli rekuperierend am Frauentor vorbei, das übrigens das Wappen von Cumbel ziert, gen Ilanz. Wie oben erwähnt, hätte ich Lust nach über Ilanz nach Chur zu radeln, habe aber keine Zeit. Ebenso flüssig wie das Dreschen kann ich Quölli grad in den einfahrenden Zug verladen, der mich nach Chur verfrachtet. Von dort ist es ein Katzensprung heim in die grösste Enklave Graubündens: Zürich!


Nachtrag:
