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Bergbraugerste 2018, Part I: Zwei Kisten Wein für einen Drescher

Quöllfrisch unterwegs zur Braugerstenernte in Zernez und Ftan

Dieses Jahr ist alles früher. Und beinahe hätte ich das Dreschen der Braugerste im Bündnerland verpasst. Auf dem letzten Zacken hab ichs noch geschafft. Im wahrsten Wortsinne. Der steinigen Geschichte kurzer Sinn braucht drei Teile.

Also soooo klein ist der auch wieder nicht, der moderne, aber auch schon wieder alte Dreschflegel von Filipp Grass in Zernez. (Dieses und nächstes Bild: Filipp Grass)

Zuerst kam die Schockmeldung per SMS: Hallo. Uns ist der Drescher abgebrannt. Und im Eifer habe ich vergessen, dich zu informieren. Ja, super! Klar, Dreschen ist wichtiger als der Zürcher Appizöller, der hier Maulaffenfeil halten will. Logo! Aber wär ja auch keine schlechte Geschichte gewesen, um live davon zu berichten. Der Drescher sei rund 40 Jahre alt. Der Motor ist futsch. Es gebe heutzutage keine so kleinen Mähdrescher mehr, sagt Filipp Grass am Telefon. Nun sei die Frage, wie es weitergeht, denn das Problem sei eine zu kleine Brücke, über die man zu den Feldern komme.

Zum Trost des untröstlichen Quöllfrisch unterwegs-Bloggers schickt er drei Fotos und schreibt dazu: «Wir hatten von 1.9 ha einen Ertrag von 13.640 kg. Dies ergibt 7170 kg pro ha, was ein absoluter Rekord für Zernez auf 1472 m.ü.M. ist. Normal haben wir 4000 bis 5500 kg pro Hektare. Die Feuchte war mit 12.5 % ideal (muss für die Lagerung nicht getrocknet werden) und das Hektolitergewicht (spezifisches Gewicht für Getreide) war 69.7 kg pro 100 l.»

Da steht er also im Regen, der kaputte Mähdrescher mit idealen Bergmassen. Ein trauriger Anblick. Im Vergleich zu Quölli hat der Kleine aber schon eine gewisse Grösse, gell.

Zufällig fahre ich am «abgebrannten» Drescher vorbei. Er steht kurz vor Zernez auf einem Kiesplatz an der Hauptstrasse. Es regnet in Strömen und ich ahne, dass auch die nächste Drescherei, die am Donnerstag stattfinden soll, in die Binsen gehen könnte. Aber ich werfe die Jagdflinte trotz Saison noch nicht ins Korn und bin guter Dinge. Allerdings: Das Feld von Emil und Uorsin Müller in Susch sieht – Emil hat mich gewarnt – milde gesagt: nicht besonders gut aus. Es ist völlig von sogenanntem Unkraut durchwachsen. Nach dem Dreschen werde die Kornqualität beurteilt. Und es seien vor allem die Reinigungskosten, die über die Höhe des finanziellen Ertrags entscheiden.

Nicht ganz umesusch in Susch: Durchwachsen, das Feld, dessen Dreschen ich ebenfalls verpasste, im schattigen Morgen des Unterengadins. Die Ernte ergab: 31 kg/a mit 15,5% Feuchtigkeit und einem Hektolitergewicht von 66.4 kg.

Als ich Emil Müller letzte Woche angerufen habe, befand sich dieser in Ungarn auf der Jagd, und ich ahnte das Schlimmste. Sein Sohn Uorsin schaukle das mit dem Dreschen. Uorsin bestätigt mir noch am Mittwoch, dass am Donnerstag gedrescht werde, um mir einige Stunden später mitzuteilen, man habe sich nun für den Freitag entschieden, damit das regennasse Feld noch etwas trocknen könne. Dann kann ich aber nicht, super! Er wiederum sei nächste Woche auf der Jagd, weshalb eben nur der Freitag möglich sei.

Der Angushof Sasletsch von Emil Müller, Meisterlandwirt und Gemeindepräsident von Susch.

Ich treffe Uorsin am Donnerstag auf dem Hof am andern Ende von Susch. Die Mutter sei vor einigen Jahren unter eine Maschine gekommen und gestorben. Ich wage nicht zu fragen, was für eine Maschine. Sie war erst 49 Jahre jung. Nun isst er an manchen Tagen bei der Grossmutter. Obwohl noch nicht lange bei Gran Alpin dabei, baut die Familie Müller  schon seit vielen Jahren Getreide an, auch mal Futtergerste. Die grosse Erfahrung macht das Rätsel also nicht kleiner, weshalb das Feld so durchwachsen herausgekommen sei. Nebenan habe er eine kleinere Fläche für einen andern Bauern bestellt. Genau gleich. Jene sei super geworden und längst gedrescht. Das Bärenfell an der Wand habe Vater Emil auf der Jagd in Kanada erbeutet. Damals habe er dort einige Jahre als Melker gearbeitet.

Uorsin Müller rätselt, warum seine Bergbraugerste dieses Jahr nicht wunschgemäss gediehen ist.
Der Hofhund: ein bisschen Bläss ist da schon zu sehen, ein bisschen Lassie und was noch?
Holz isch heimelig: Der Stall mit Oberlicht des Angushofes Saslatsch von Emil Müller.

Einst hatten die Müllers auch einen eigenen Drescher, gekauft für eine Tonne Futtergerste. Die Kinder benutzten ihn als Spielplatz, entfernten das drauf gelegte Brett, ohne es danach zürückzulegen. Es regnete hinein und der Drescher war kaputt. Eines Tages erinnerte sich die Mutter an einen Sammler solcher Maschinen, der mal hier war und das Riesending habe kaufen wollen. Emil rief an, der Sammler holte ihn ab – und schenkte ihm dafür zwei Kisten Wein.

Das abgeerntete Feld von Filipp Grass entdecke ich auf der Fahrt nach Ftan, also am Vortag des Besuchs bei Ursin Müller. Schön flach, aber die zu kleine Eisenbahnbrücke gleich daneben ist das Problem. Kein neues Dreschermodell ist klein genug, da durchzukommen.

So, damit beschliessen wir den ersten Teil der Bergbraugerstenstory 2018 und sehen optimistisch vorwärts: 1. Wünschen wir Filipp Grass entweder die Vergrösserung der Brücke durch die Gemeinde, einen neuen Drescher, der durchkommt oder einen passenden Motor für die alte Maschine. 2. Wünschen wir Emil und Uorsin Müller Waidmanns Heil und nächstes Jahr mehr Glück mit der Braugerste. 3. Hoffen wir, auf die Ernte in Ftan; im zweiten Teil sondieren wir mal den Stand der Felder.

Demnächst: Bergbraugerste 2018, Part II: Goldene Felder, feine Cullas & der Himmel auf Erden

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