Quöllfrisch unterwegs@home
Ein flexitarischer Selbstversuch mit dem veganen Malztreber-Texturat der Brauerei Locher. Angerichtet mit Bildern und Kochtipps von alp und el Lokal-Gastwirt Viktor Bänziger, der brewbee bei sich zu Hause ausprobierte.
Gleich vorneweg: Ich halte es für Unsinn, Fleisch durch pflanzliche Fleischimitationen zu ersetzen. Oder wie es der ehemalige Sternekoch Franz Keller im TA vom 20.11.22 ausdrückt: Warum brauche ich ein «Schnitzel», wenn ich meine Ernährung auf vegane Kost umstellen will? Wer es nicht essen möchte, muss es wegdenken. Warum müssen die Produkte unbedingt fleischgleich aussehen und heissen? Schmecken solls, gesund sein solls und umweltschonend produziert. Und natürlich solls auch schön aussehen, aber nicht ums Verrecken wie Fleisch.

Ich warne auch sprachlich vor: Diese brewbee-Story ist prall full mit hippem Nu-Deutsh und techtrockenen Fachbegriffen – für Dummies gibts einige FAQ-Erklärungen hier und andernorts – wie: brewbee. Extrudat. Texturat. Plant-based. Mit Upcycling gegen Food Waste. Genussvolles Food (ähm!). Convenience-Food. Food Porn (ah, nein, lass ich dann doch weg!). Omnivorer Flexitarier. Game Changer. Climate Mission. Great taste. Less waste. Und und und. Und ganz ehrlich: Vor lauter immergleichen Wiederholungsvariationen und Grafiken brummt mir im Kopf mit der Zeit eine Art Braubienen-Schwarm. Hier noch die schönste FAQ-Frage:
Machen brewbee-Produkte betrunken? – (für Antwort anklicken!)
Wie ich mantramässig zu sagen pflege: Das Leben ist kein Hochglanzprospekt. Lassen wir uns vom abstrakten Marketing-Kauderwelsch nicht unterbuttern, halten wir uns ganz pragmatisch an die quöllfrische Wirklichkeit: Die brewbee-Tschipps sind super, von den Pizzas habe ich auch nur Lobgesänge vernommen und dass der aus dem Brauvorgang anfallende Treber eine Zweitverwertung auf unseren Tellern findet, ist auf gut Deutsch grossartig. Die Brauerei Locher ist seit Jahren bekannt für gelebten Pionier- und Erfindungsgeist, quöllfrische Kreativität und zukunftsweisende Innovationslust – wie upcycled auch immer.
Protein-Alternative vs. Fleischimitation
Auf gaultmillau.ch ist zu lesen: Optisch hat Brewbee nicht viel Ähnlichkeit mit Fleisch. Deshalb nennt man es in der Brauerei Locher auch gar nicht gerne Fleischersatz. Es gehe gar nicht in erster Linie darum, den veganen Markt zu bespielen. «Wir haben einfach sehr grosse Mengen an Treber. Und den wollen wir so weit wie möglich verarbeiten und upcyceln. Und damit dieser Zweig interessant wird, müssen wir eine breite Sortimentspalette anbieten», sagt Aurèle Meyer, CEO der Brauerei Locher. Nicht umsonst sagt man den «Innerrhödlern» nach, sie seien besonders innovativ. – Ebe, gsehsch! Sägi doch!

Eine Fleischalternative soll nicht zwanghaft an Fleisch erinnern. Kann, aber muss nicht müssen. Es geht ja vor allem um alternative Proteine. Wer will, kann diese auch mit Insektenburgern zu sich nehmen. Oder Laberburgern (s. nächstes Kapitel Intermezzo zur Fleisch-Alternative). Ganz generell aber sollten wir ja weniger Fleisch essen, was nebenbei nicht nur der sogenannten Umwelt, sondern auch unserer Gesundheit zugute käme. Fahren wir aber nun auf brewbee.ch fort: Neben weiteren, sehr gesunden Inhaltsstoffen wie Nahrungsfasern enthält Biertreber auch richtig viel Protein. Deswegen verwenden wir unseren Biertreber so weit wie möglich weiter und machen daraus nachhaltige Produkte wie zum Beispiel unsere neue brewbee plant-based Linie.

Vegan ist mir total wurscht, weil zu fundi (und auch irgendwie stündlerisch scheinheilig und verblendungsgefährdet). Vegetarisch hingegen finde ich voll in Ordnung. Übrigens: Anscheinend gelten Feigen nicht als vegan, weil sie von Wespen befruchtet werden, die im Innern der Frucht kleben bleiben und dann von der Feige verdaut werden. Feigen sind also die Flexitarier unter den Früchten und haben die Veganer*innen als natürlichen Feind schon mal erledigt. Flexitarier zu sein halte ich denn – trotz bescheuerter Bezeichnung – für das Einleuchtendste, was wir als omnivore Allesfresser-Menschen pflegen sollten. So werde ich das vegane Malztreber-Geschnetzelte denn auch mit Olivenöl und geklärter Butter zubereiten und nie überlegen, ob etwas Tierisches drin ist. Hauptsache, es wird tierisch gut.

Wieder mal überholt die Wirklichkeit die Illusion, NZZ, 17.11.22: Gefallene Börsenstars Beyond Meat und Oatly: Dem Hype um vegane Burger und Hafermilch folgt die Ernüchterung. Den Aushängeschildern der Branche läuft es geschäftlich katastrophal schlecht. Deswegen pflanzliche Ersatzprodukte für Fleisch und Milch totzusagen, wäre jedoch falsch. Als Beyond Meat im Mai 2019 an die Börse kam, herrschte Euphorie. Die kalifornische Firma schien die Zukunft des Essens zu verkörpern – mit ihren Burgern und Würsten auf Erbsenbasis, die gleich gut schmecken. Oder wie es der grosse Science-Fiction-Autor Philip K. Dick formulierte:
Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben.
Philip K. Dick
Intermezzo zur Fleisch-Alternative
Wie immer kann ich mir – während einer Fussball-WM in der Wüste, wo bald auch Skirennen ausgetragen werden – einen CO2-neutralen Ausflug in die Abgründe menschlicher Paradoxien nicht verkneifen. Im schon mehrmals erwähnten Spiegel-Bestseller «Die Welt ohne uns» des Wissenschaftsjournalisten Alan Weisman ist die Rede von der ratzfatz ausgerotteten nordamerikanischen Wandertaube, von der alle Experten sagten – und es klingt ein bisschen nach Fridays for Future-der Wandertauben –, dass sie «einst die häufigste Vogelart auf Erden war. Ihre Schwärme, bis zu 360 Kilometer lang und viele Millionen zählend, reichten von Horizont zu Horizont und verdunkelten buchstäblich den Himmel. Stunden konnten vergehen und es war, als kämen sie überhaupt nicht voran, weil immer neue nachrückten. Grösser und viel prachtvoller als die gewöhnlichen Tauben, die unsere Bürgersteige und Denkmäler bekleckern, waren diese dunkelblauen, rosabrüstigen Geschöpfe nach allem, was man hört, eine wahre Delikatesse.» Es war wahrscheinlich das feinste Massenvogelbrüstchen der Welt, einfach von der Natur gezüchtet.

Nun begann der Mensch sie zu bekämpfen. Einerseits indem er ihnen die Nahrung (Eicheln, Buchnüssli und Beeren) entzog, also «die bewaldeten östlichen Ebenen der USA abholzte, um Nahrungsmittel anzupflanzen». Andrerseits holte man mit Schrotflinten pro Schuss gleich Dutzende Vögel vom Himmel. Nun schliefen die verbliebenen zu Millionen in den verbliebenen Bäumen, womit die Jagd noch leichter wurde. Als man gemerkt habe, dass die Zahl der Wandertauben rasant schwand, «trieb eine Art Wahnsinn die Jäger, sie noch rascher abzuschlachten». 1900 war schluss, nur einige Exemplare vegetierten im Zoo von Cincinnati vor sich hin. Als man die Bedeutung dieser letzten Exemplare erkannte, war es endgültig zu spät: Die letzte Wandertaube starb 1914.
Nun kommen wir zu einem Spiegel-Artikel vom 26.11.22, also frisch ab Presse. Und während ich den noch einmal suche, stosse ich auf einen gleichentags – vor zwei Minuten – erschienenen: «Wolkenkratzer für Schweine. 26-Etagen-Stall in China gebaut. Die Schweinepest hat China stark getroffen, nun setzt das Land auf neue, senkrechte Riesenställe. Nahe der Stadt Ezhou sollen 1,2 Millionen Tiere zur Schlachtreife gebracht werden – jedes Jahr.» – Jo, heimatzack, die Ereignisse überstürzen sich! Während die einen weniger und tiergerecht produziertes Fleisch essen wollen, bauen die andern hemmungslos Hightech-Tierfabrik-Wolkenkratzer, um den Fleischkonsum auszuweiten. Total gaga! Arme Schweine!
Sofort Mani Matter reinhauen:
Und we me gseht, was hüt dr Mönschheit droht
So gseht me würklich schwarz, nid nume rot
Und was me no cha hoffen isch elei
Dass sie Hemmige hei
Mani Matter: Hemmige, 1970
Im gesuchten Spiegel-Artikel «So schmeckt die Zukunft» von Maria Stöhr verkostet die Autorin in Singapur Laborfleisch aus Stammzellen, das bis jetzt weltweit nur dort vermarktet werden darf. Aber eben: Dass sie Hemmige hei, kann mann zwar hoffen, wird aber wohl – wie gewohnt – nicht der Fall sein, wenn der Big Mammon im Namen der Weltbevölkerungsernährung blingblingt. Wilde Tiere brauchen wir ja dann sowieso keine mehr und das Problem mit Problemwölfen ist auch vom Tisch. Alle Probleme sind gelöst und Marcel Duchamps hat für immer recht:
Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt.
Marcel Duchamp
Heute würden alternative Proteine, einschliesslich Labor-Fleisch, zwei Prozent des weltweiten Fleischmarkts ausmachen. «Bis 2030 will die Regierung das ändern, fördert Start-ups, die an Rezepturen für Eier ohne Ei forschen. Intelligente Dachgartensysteme, wo die Salatköpfe wie an einer sich selbst bewässernden Litfasssäule wachsen. Und dann eben, ganz besonders, die Stammzellentechnologie. Milch aus Stammzellen. Fisch aus Stammzellen. Fleisch aus Stammzellen.» Eier ohne Eier. Geil. Dürfen Veganer*innen das dann essen?

Die Autorin schildert, wie beim Dinner im verdunkelten Raum Filme über die Klima- und Landwirtschaftskrise gezeigt werden. Eine der wichtigsten Proteinquellen seien Hühnchen, erzählt eine Stimme. FAO: Im Jahr 2020 betrug die weltweite Hühnerpopulation über 33 Milliarden Tiere. Ungefähr 46 Prozent davon in Asien. Die Hühnermast brauche grosse Mengen Flächen und Energie, befeuere die Klimakrise, führt die Stimme aus. Was sie nicht ausspricht: Das servierte Hühnerfleisch aus dem Labor ist ebenfalls sehr energieintensiv. Die potentesten Stammzellen werden mittels Kryotechnik auf minus 80 Grad tiefgefroren. Maria Stöhr: «Es werden ausschliesslich Muskel- und Fettzellen vermehrt. Diese wachsen wie eine Art Suppe, die immer dicker wird, bis die Konsistenz Hackfleisch gleicht. Nach etwa sechs bis acht Wochen ist die Zellsuppe reif und wird in einem Verfahren, das mir Shiok Meats nicht verraten mag, angereichert mit Pflanzenfasern und zu einer Fleischpaste verarbeitet, aus der dann die Lebensmittel gemacht werden. Das fertige Produkt, etwa das Chicken-Nugget, besteht also nicht zu hundert Prozent aus Fleisch.»
Die Autorin kommt zum Schluss, sie habe definitiv schon schlechteres Hähnchen gegessen. Tja, ich habe letzthin im Migi-Imbiss meiner Nichte ein paar Chicken-Nuggets vom Teller gepickt. Fasrig-ödes, trockenes Fleisch, nicht mehr so fischelig wie früher, in wahrscheinlich eierloser Panade fritiert. Schmeckt irgendwie nach nicht richtig gut, macht aber doch süchtig. Eines ist sicher: Laborfleisch wird seine Muskelfasern nie trainieren können, schmeckt also niemals wie richtige Hühnchen eben schmecken, wenn sie gutes Futter und Freilauf bekommen. Allerdings würde ich Labor-Chicken-Nuggets den Massenhaltungs-Nuggets vorziehen, weil sie ohne präventive Antibiotika auskommen. Und Vogelgrippe und Schweinepest brauchen sie auch nicht zu fürchten. – Oder?
Ganz generell finde ich, wir sollten wieder mehr Bodenständigkeit gewinnen, was Produktion und Verarbeitung unserer Lebensmittel betrifft. Eben: Lebensmittel, nicht Sterbens- und nicht Todesmittel. Gspässigerweise driftet unsere Ernährung immer mehr in Richtung püriert-verkochten, mit unnötigen Zusatzstoffen versetzten Astronautenfood. Macht keinen Spass, aber dick, krank, süchtig. Natürliche Aromen werden durch künstliche ersetzt und gezuckert, wir gewöhnen uns daran. Und werden wir mit dem natürlichen Vorbild konfrontiert, schmeckt es nicht, wegen der ungewohnten und unverzuckerten Ecken und Kanten, die zu allem Natürlichen gehören und es eigentlich interessanter machen.
Da ist sie wieder, die schon in anderen Beiträgen mehrmals erwähnte Shifting Baseline; was die Jungen nicht kennen, kennen sie nicht. Und wir waren alle auch mal jung oder sind es noch. Die Entdeckungsfreude hat sich voll krass ins Leuchtbrettchen vor dem Kopf verschoben. Wie öd, aber gut aussehend wird das alles erst recht im sauglatten Metaversum schmecken, in das die digitale Schlange die Menschheit rattenfängerisch lockt?
Die Kunst der Koch-Improvisation
Meistens plane ich nicht gross, was ich kochen will. Nach dem spontanen Einkaufen von mehr und weniger kombinierbaren Produkten schaue ich jeweils in den Kühlschrank und entscheide, womit ich mir ein Gericht zubereiten will. Natürlich rechne ich auch mit Resten, die ich am nächsten Tag dann wieder neu kombinieren kann. Manchmal schaue ich mir in einem Kochbuch etwas ab oder variiere frank und frei einen Kochtipp von «Seiler kocht». Ganz selten halte ich mich exakt an Rezeptvorgaben. So kann ich auch traditionelle Gerichte zwanglos und frei wie ein Vogel variieren.
Wer sich aber an brewbee-Rezepte mit Mengenangaben halten will, klicke hier. Da gibts auch Versionen in Asiatisch.
Inzwischen koche ich sehr oft ohne Fleisch und merke es kaum. Fehlt nix. Obwohl: Etwas fehlt ja immer, aber das ist wieder was anderes. Wenn es mich gelüstet, leiste ich mir Fleisch oder Wurst bewusst und zahle gerne ein bisschen mehr für bessere Qualität. Ich verabscheue würdelos produziertes Billigfleisch und schäme mich fremd, dass die menschliche Spezies derartige Tierhaltungen zulässt, die möglicherweise gesetzlich erlaubt, aber eben alles andere als tiergerecht sind. Einfach, weil das täglich Fleisch das täglich Brot übertrumpft hat. Aber hallo: Hühner, deren Fleischlieferbrust aus Zuchtbullshit so schwer sind, dass die Beine sie nicht zu tragen vermögen? No-Go. Und Fischmehlgeschmack in Eiern und Poulet grust mich schon lange.
Vor vielen Jahren probierte ich Sojaprodukte aus und mache heute einen grossen Bogen drum rum. Ausnahme: Die Bio-Edamame-Bohnen von Klaus Böhler, der Rhabarber fürs Appenzeller Rhubarb Beer, das inzwischen anscheinend nur noch als Seife angeboten wird (hier gehts zum Shop und hier zum Quöllfrisch unterwegs-Beitrag «Rhubarber, Rhaburber, äh, Rhabarber fürs Rhubarb Beer»). Im letzten Jahr experimentierte ich immer wieder mit Lupinen-Geschnetzeltem, was manchmal ganz gut gelang, mich aber nie so richtig gepackt hat. Letztendlich koche ich viel lieber – wenn fleischlos – einfach mit marktfrischem Gemüse, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Teigwaren oder Reis. Damit gibts so unendlich viele Möglichkeiten, einfache und frische Schnellgerichte zuzubereiten, dass ich mich frage, wieso es all den Convenience-Food überhaupt braucht. Aber halt: brewbee-Produkte sind ja – zumindest zum Teil – auch Convenience-Food. Und wes Bier ich trink, des Lied ich sing, göll.
Schweizer Riz Casimir vs. echte Curry-Mischung
Auf einer Indienreise beeindruckte mich die dortige Küche, die so viele unterschiedliche vegetarische Gerichte auf den Tisch zu zaubern vermag, weil Kühlschränke für verderbliches Fleisch auch heutzutage noch nicht in jedem Haushalt selbstverständlich sind. Teilweise ist der indische Vegetarismus ja auch Glaubenssache. Ob allerdings die Theorie der heiligen Kühe stimmt, die besagt, dass vor langer Zeit die Priester mit der Heiligsprechung während einer Hungersnot verhindern wollten, dass arme Familien auch noch ihre letzte Kuh mit Haut und Haar aufassen und damit weder Milch noch sonstwas hatten. Keine Ahnung; vielleicht, vielleicht nicht. Eher nicht, aber wahrer Kern.
Jedenfalls war die traditionelle Schweizer Küche, die mein Aufwachsen begleitete, im Vergleich zur indischen Küche (und auch anderen Küchen dieser Erde) ziemlich einfallslos. Vor allem auch bezüglich der Gemüsezubereitung. Was durchaus auch sehr gut munden kann. Es lag praktisch immer Fleisch auf dem Teller und der Rest war Beilage. Fern jeglicher Schärfe, auch zuhause bei Muttern, wo es am besten war zu futtern. Aber immerhin gute Hausmannskost.
Warum heisst die eigentlich so, wenn sie doch von der Hausfrau zubereitet wurde? – Wikipedia: Das Wort «Hausmann» stammt aus dem 16. Jahrhundert aus dem mittelhochdeutschen hūsman, «Hausherr, Hausbewohner, Mietmann, Burgwart». Zutaten der Hausmannskost entsprechen dem klimatisch und geografisch bedingten Nahrungsangebot in der jeweiligen Region der Nationalküche, müssen aber nicht zwingend auch dort produziert sein (Ausnahme: importierte Gewürze).

Einfach. Wohlschmeckend. Solid. Daheim. Aber wenn ich an das beschepperte Riz Casimir mit Trockenleder-Geschnetzeltem an schlechtschweizerischer Superblödcurry-Wasserrahmsauce, Uncle Ben’s Parboiled-Reis und öden Büchsenfrüchten mit den schröcklichen Chriesi im Lehrersemi denke, wird mir immer noch ganz unwinkelriedisch zumute. Eben. Inzwischen gibts wenigsten auch hierzulande richtig originale Curry-Mischungen.
Fleisch in allen möglichen Formen aber gehörte zur Schweizer Küche seit ich denken kann. Vegetarier*innen gabs schon immer einige wenige, sie mehrten sich mit den immer häufiger auftauchenden, orange und rot gekleideten Baghwan-Jüngern, den Sunnyasin (Mehrzahl-s oder nicht, ist mir jetzt aber auch mal einfach wurscht!). Veganer*innen kannte ich bis vor kurzem keine*n einzige*n. Nun sind sie aber nicht nur superhipp, sondern auch ein gefundenes Fressen für Wirtschaftshaie.
Fleisch war in der blühenden Nachkriegszeit einfach selbstverständlich geworden. Fisch gabs bei uns zuhause nicht, denn der Patriarch (Hausmann) mochte keinen – und was der Chef nicht frisst, kocht die ihm untertane Hausfrau am Herd nicht. Fehlte grad noch die Schleierpflicht, eigentlich. Auch nach der späten Einführung des Frauenstimmrechts gabs keinen Fisch. Wassertiere zu essen lernte ich in einem nicht hürdelosen Überwindungsprozess, während dessen es schon bald hiess, die Meere seien leergefischt. Jetzt, wo ich Fisch richtig gern habe. Aber den kaputt gemachten Lachs kannst du behalten.
Inzwischen weiss ich: Bei einer guten Frischküche, zu der nur dann und wann Fleisch (oder auch Fisch) gehört, fehlt es einem gar nicht. Womit wir zum obgenannten Malztreber-Texturat-brewbee-Geschnetzlets aus dem Hause Brauerei Locher kommen. Stopp! Fast hätte ich etwas vergessen:
Karl Lochers Klima-Mission

Die obgenannte Climate Mission – eine Initiative der Brauerei Locher zur Aufwertung von vorhandenen Stoffen in neue Produkte (Upcycling), um den Neubedarf an Rohmaterialien zu reduzieren und Ressourcen zu schonen – führt uns im Netz von brewbee.ch zu climatemission.ch, wo Pionier Karl Locher mit uns durch sein jahrelanges Bemühen um Nachhaltigkeit und Innovation wandert. Im Alpstein, selbstvertürli. Es ist Karls Mission, die Kreislaufwirtschaft möglichst breit als Umwelt und Ressourcen schonenden Standard zu etablieren. Auch ein Climate Mission-Manifest ist dort zu finden. – So, jetzt knurrt mir aber langsam der Magen!
Vorbereitung: brewbee-Gschnetzlets mindestens 30 Min. in Flüssigkeit einlegen
Die Post kommt bei mir sehr spät. Als ich am Abend den Gebührensack zum Container bringe, entdecke ich im Briefkasten-Ablagefach einen superleichten Grossbrief und checke erst später: Darin befindet sich das brewbee-Gschnetzlete, das ich für einen Blog-Selbstversuch morgen zubereiten werde. Dass auf der Packung steht, die «nach altem Verfahren getrockneten» Malztreberbrocken seien 30 Minuten in lauwarmer Bouillon einzuweichen, sehe ich erst, als ich die Zutaten nachlese. Eine andere Formulierung lautet: Die brewbee plant-based Extrudate werden für ca. 30 Minuten im Verhältnis 1:3 (Extrudat zu Flüssigkeit) eingelegt. Dafür empfehlen wir eine Gemüsebouillon oder Fond. Danach die Extrudate in einem Sieb abtropfen lassen (leicht ausdrücken), anbraten, weiterverwenden und geniessen.

el Lokal-Wirt Viktor Bänziger – hier gehts zu ellokal.ch, wo brewbee manchmal auf der Tageskarte zu finden ist – hat mir seine Einweichtechnik übermittelt: Über Nacht – obwohl, da bin ich mir nicht ganz sicher, ob ers so gesagt hat, aber ich weiche lieber zu lang ein als zuwenig – in Bouillon mit Sojasauce und getrockneten Steinpilzbröseln einlegen, was eine wirklich gute Variante ist. – Hm, wenn man Steinpilze nicht züchten kann, also wild wachsen, woher kommen dann die Bio-Steinpilze in der Migros? Wild wachsend = bio? Nöd würkli, oder gibt es da draussen Bio-Wald und Nichtbio-Wald? Stellen wir das Ganze mal in den Kühlschrank und schlafen mal drüber.
Was genau ist denn da eigentlich drin, im plant-based brewbee?
Auf brewbee.ch heisst es: Die Grundlage für brewbee kommt aus der Brauerei Locher im Appenzell. Wenn das beliebte Quöllfrisch die Brauerei verlässt, bleiben viele hochwertige und nährstoffreiche Nebenprodukte zurück: duftender Treber, vitale Bierhefe, Weichbier und kernige Nebenwürze. Vorsichtig gesammelt, verfeinert und nach alten Verfahren weiterentwickelt, werden diese zu unseren wunderbaren brewbee-Produkten. Nachhaltig, einmalig und natürlich 100 % alkoholfrei! – Tja, und so leicht, wie es sich anfühlt, so furzknochentrocken sieht es aus – vor dem Einweichen. Nicht sehr anmächelig.
Lesen wir die Angaben auf der Verpackungsrückseite. Aha, auch ziemlich trocken: Malztreber-Texturat heisst das. Wüsste ichs von den würkli guten Tschipps nicht besser, käme ich nicht auf die Idee, das essen zu wollen. Es setzt sich zusammen aus Gerstenmalz, Weizenprotein, Linsenprotein, Gerstenmalztrebermehl und dem Säureregulator – oha! – Weisskalkhydrat. Hm. Die ersten vier Zutaten sind eigentlich klar essbar und gesund. Aber was hat es mit dem nach Bau riechenden Weisskalkhydrat auf sich? Lasst uns das mal guguselen.

Ähm, gelöschter Kalk & Extrudat…
Voll, es ist, was ich dachte, sagt Wikipedia: Weisskalkhydrat ist ein Bindemittel zur Herstellung von Kalkmörtel oder Kalkzementmörtel, auch als Kalkanstrich verwendbar. Gelöschter Kalk oder Calciumhydroxid Ca(OH)2. Heisst also, ich könnte meinen Stall damit weisseln. Oder – vergesse ich nie – mein Schloss. Das gehörte zwar nicht mir, bin mir auch nicht mehr ganz sicher, wem es gehörte und welches Thurgauer Schloss es war: Salenstein oder so. Wunderschön, mitten im Wald gelegen. Da sollte ich nach ordli durchzechter Nacht Steinarbeiten an der frisch gekalkten Fassade vornehmen. Das Weiss schrillte mir in der Morgensonne ins Gehirn wie eine Knochensäge. Aber halt, ich schweife ab in meine Veteranen-Heldengeschichten aus untergegangenen Zeitaltern. Das durchaus natürliche Weisskalk-Zeugs muss also auch essbar sein. Weiter guguselen.

Das führt uns zur Kalkfabrik Netstal AG, die Calciumhydroxid Ca(OH)2 für Bauindustrie, chemische Produktion sowie Lebens- & Futtermittel-Zusatzstoffe herstellt: Unsere tägliche Portion Kalzium. Mit Kalk-Produkten vom Elggis aus dem Glarnerland wird Salz gereinigt und Lactose hergestellt. Sie lassen sich unter anderem auch bei der Herstellung von Bier, Wein, Säften und Backmitteln sowie Speisegelatine verwenden. In der Käserei dient Kalk als Trennmittel, bei Quark-Erzeugnissen reguliert er den Säuregehalt. Calciumcarbonat wird ausserdem bei der Reinigung von Lebensmitteln eingesetzt, z.B. bei Zucker. Ein wichtiger Einsatzbereich unseres lebensmittelzertifizierten Calciumhydroxids liegt in der Einstellung des pH-Werts von Trinkwasser. Auch zur Entsäuerung von Trinkwasser wird Calciumhydroxid der KFN eingesetzt. Zertifizierter Netstaler Kalk erfüllt die gültigen Grenzwerte für Lebensmittelzusatzstoffe. Er kann deshalb ohne Bedenken für die menschliche Gesundheit in Lebensmitteln verarbeitet werden. Dies gilt grundsätzlich auch für die Herstellung und Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln. – Aha, das Tausendsassaprodukt ist also gar gesund, da bin ich beruhigt.
Auf brewbee.ch taucht ein weiterer Tech-Begriff auf, der wohl in keinem Lyriklexikon zu finden ist: Auf Basis von Treber, Linsenprotein und Weizenprotein produzieren wir ein sogenanntes Extrudat, welches kühl und trocken gelagert werden muss. Wir bieten zwei «Schnittarten» an: «brewbee Ghackets» und «brewbee Gschnetzlets». Extrudate sind: Eine proteinreiche Masse wird mithilfe eines Extruders durch hohe Temperaturen, Druck und eine Düse geformt. Die entstehenden Produkte werden Extrudate genannt. Sie werden in die gewünschte Form geschnitten und durch Trocknung haltbar gemacht. – So, nun wissen wir also fast alles über die innovative Lösung der Brauerei Locher, den Malztreber nicht nur als Tierfutter zu verwerten, sondern auch als echte und gesunde Alternative zum übermässigen Fleischgenuss. Nebenbei fällt mir auf, dass mal schweizerdeutsch Gschnetzlets und Ghackets steht, meist aber Hauchdeutsch Geschnetzeltes und Gehacktes. Könnte man doch brewbeeish in sliced brewbee’s grains und minced brewbee’s grains umbenennen. Alles dassölwe in rasenden Zeiten, gell. Aber dass es genussvolles Food heissen soll, klingt für mich dann doch ein Bitzeli sehr nach Pausenplatz. Für mich heisst es, wenn schon, der Food.
Soviel zum Inhalt, jetzt aber zur Praxis
Das brewbee-Geschnetzelte – trotz seiner nach dem Einweichen verblüffenden Gschnetzlets-Ähnlichkeit – schmeckt nicht im Geringsten nach Fleisch. Sondern nach Treber und was man daraus macht. Es nimmt also den Geschmack der Flüssigkeit an, in die man es einlegt. Empfohlen wird Bouillon oder Fonds. Ich halte mich an Viktor Bänzigers Tipp und gebe einen Spritzer Soya-Sauce zur Bouillon sowie einige Pilzbrösel. Und statt der empfohlenen 30 Minuten lasse ich das Ganze – wie oben ausgeführt – über Nacht im Kühlschrank einwirken. Auch hier kann man aber durch zunehmende Zubereitungs-Erfahrung ganz eigene Geschmackswege gehen und zufügen, was man mag. Wie immer im Leben: die Mischung machts. Und je nachdem lässt sich die Flüssigkeit auch noch für die Sauce verwenden.

Ich beginne mit dem Waschen des Spinats, schnipsle eine Zwiebel in grobe Stücke, gebe alles ohne Wasser in eine gedeckelte Pfanne, Pfeffer und Salz aus der Mühle, beiseite stellen. Dann raffle ich die vorgekochten Bergkartoffeln aus dem Albulatal von Marcel Heinrich (der dieses Jahr Saatgut für die neue Bergbraugerstensorte Alpetta von Gran Alpin ernten konnte) für die Rösti in meine geliebte und gut eingekochte Eisenpfanne. Nie mehr würde ich sie gegen eine beschichtete tauschen. Meistens leiste ich mir die einigermassen zahlbaren zwei Kartoffel-Sorten (seine günstigsten) Desirée oder Ditta. Heute haue ich rein und wähle recht kostspielige Frühe Prättigauer. Heinrichs Kartoffeln erinnern mich auch an die feinen, geschmacksreichen Kartoffeln aus Mutters Garten: sie haben einfach eine andere Konsistenz und mehr Geschmack als die meisten Ladenkartoffeln.
Bei dieser Gelegenheit sei noch erwähnt: Neuerdings führt Marcel Heinrich auch Bergackerbohnen mit aromatischem, nussigem Geschmack, mit denen man tolle Gerichte kreieren kann. Sie sei ähnlich zu handhaben wie die Kichererbse, Rezepte gibts hier. Und weil die ganzen Bohnen eine sehr kräftige Schale haben, empfehle ich sanfteren Bohnengemütern, die schneller weichgekochte Schrot-Variante zu wählen.
Die Rösti bräunt nun also bei mittlerer Hitze friedlich vor sich hin. In der zweiten Bratpfanne erhitze ich Öl und Bratbutter, dünste die Zwiebeln an und gebe das brewbee-Geschnetzelte dazu. Ganz klassisch. Dazwischen den gewürzten Spinat mit Zwiebeln auf kleiner Flamme ohne Flüssigkeitszugabe – vielleicht einen Schluck Sherry – dämpfen. Das Geschnetzelte ablöschen mit Weisswein oder Säntis Malt-Whisky, Einweichflüssigkeit und nach Belieben würzen, gegen Ende etwas Rahm dazu geben. Rösti von Zeit zu Zeit wenden, bis sie schön knusprig ist, salzen. Servieren und geniessen.

Von der Konsistenz ist das brewbee-Geschnetzelte irgendwie schon fleischähnlich. Geschmacklich verbindet es sich wunderbar mit Rösti und Spinat. Auch Reis würde passen. Oder wie Viktor es zubereitet hat: Als Pastetli-Füllung mit Pilzen und Erbsen. Ich sags ja: die Mischung machts. Wäre ich mit dem brewbee-Geschnetzelten meiner Mutter aufgewachsen, wäre es wohl das selbstverständlichste Gschnetzlets der Welt gewesen. Das beste, das nur sie so konnte. Ganz ohne Fleisch. Doch, ich finde ganz ohne Schmäh, brewbee ist eine mögliche Fleischalternative.
Da ich die ganze Packung gebraucht habe, die locker für zwei bis drei Portionen reicht, stelle ich die Resten in den Kühlschrank. Am nächsten Tag brauche ich nur noch eine Portion Teigwaren vorzubereiten, Geschnetzeltes aufwärmen und dazu geben. Es schmeckt noch besser als am Tag zuvor. Insgesamt erstaunlich auch, dass die Stücke nicht auseinanderfallen.
Und zum Abschluss no chli Ghackets

Auch brewbee-Gehacktes macht sich hervorragend in meiner scharfen Spaghetti-Sauce. Diesmal nur zirka 30 Minuten in Bouillon eingeweicht und dann mit der Thomatensauce schön langsam eingekocht. Der Biss ist wie richtig. Am nächsten Tag bastle ich aus der Restsauce ein Linsengericht con brewbee. Dabei habe ich höchstens die Hälfte des Verpackungsinhalts gebraucht.
Interessant, diese Braubienen-Geschichte der Brauerei Locher. Es werden wohl noch einige Kapitel folgen. Ganz nach dem Motto
«Machen wir aus Gutem Gutes».
Oder wie es Viktor immer formuliert:
«Gutes tun. In Good We Trust».